Association
pour une Taxation des Transactions financières
pour l'Aide aux Citoyens.
"Mit ATTAC die Zukunft zurückerobern"
Manifest 2002 des französischen
Zweigs der attac-Bewegung
In Frankreich
finden 2002 Präsidentschaftswahlen statt, in Deutschland Landtags-
und möglicherweise längerfristig wichtige Bundestagswahlen.
Am 19. Januar 2002 stellte der französische Zweig der attac-Bewegung
im Pariser Konzertsaal „Zenith“ vor ca. sechstausend Anwesenden
das „Manifest 2002“ vor. Schon das event
an dieser Stelle war bemerkenswert für den Stellenwert dieser Bewegung.
„Manifest 2002“ ist ein Konzept mit deutlich französischer
Handschrift. Dennoch genügt es für einen erhellenden „deutschen“
Lesegenuss (dieser Übersetzung) oftmals, die „französischen“
Institutionen und Akteure durch analoge „deutsche“ zu ersetzen/übersetzen.
Wir geben dies Dokument in vollständiger
Übersetzung des französischen Originaltexts wieder. Bitte sehen
Sie uns stilistische und Rechtschreibfehler usw. nach. Ein Dank an Bettina
Lau für die Mühen der Texterfassung.
Eine Bewegung,
die politischen Koordinaten verändert....
Während
seines fast vierjährigen Bestehens hat Attac Analysen über die verheerenden
Folgen der neoliberalen Globalisierung gemacht, die sich leider täglich
bestätigen. Aber Attac hat sich darauf nicht beschränkt. Die Organisation
hat die Öffentlichkeit, die Abgeordneten, die Regierungen und die internationalen
Organisationen mit Alternativen konfrontiert. Von Seattle im November 1999
bis Porto Alegre im Januar 2002 war Attac dabei und wird auch weiterhin an
allen großen Aktionen der sozialen Bewegungen teilnehmen. Attac wird
überall dort präsent sein, wo über Alternativen nachgedacht
und Aktionen durchgeführt werden, die zeigen, dass "eine andere Welt
möglich ist". Auch in den Diskussionen im Wahljahr wird sich Attac zu
Wort melden. Aber die Bewegung wird das auf ihre Weise tun.
Denn Attac ist
keine Partei; keiner der Verantwortlichen bewirbt sich um ein Mandat, Attac
wird auch keine Kandidaten aufstellen oder unterstützen. Als Bewegung,
die Aufklärung und Aktion nicht voneinander trennt, wird Attac jedoch
in der Auseinandersetzung der nächsten Monate die Rolle eines demokratischen
Motors spielen. Wie wird das geschehen? Nicht in Gesprächen mit Kandidaten
und Parteien hinter verschlossenen Türen, sondern indem wir uns direkt
an die Bürgerinnen und Bürger wenden. Sie sind es, die wir davon
überzeugen wollen, dass die gegenwärtige Politik nicht die einzig
mögliche ist und dass weltweit Hunderte von Millionen Menschen genauso
denken. Dies ist nach den Ereignissen des 11. September um so dringlicher,
da die militaristischen, unsozialen und demokratiefeindlichen Tendenzen -
die Gunst der Stunde nutzend - die Probleme, die die Welt auch schon am 10.
September kannte, nur noch verschlimmert haben.
Wir wollen daran
arbeiten, dass politisches Denken nach fast einem Vierteljahrhundert neoliberaler
Gehirnwäsche sich wieder frei entfalten kann. Denn es sind Ideen, die
die Welt verändern. Die zweihundert Jahre alte Ideologie des Liberalismus,
dem man kurzerhand einen modernen Anstrich verpasste, hat jedoch intellektuellen
Schiffbruch erlitten, auch wenn sie bei den Entscheidungsträgern noch
immer hoch im Kurs steht. In Argentinien hat der Neoliberalismus gerade Bankrott
gemacht, nachdem er den gesellschaftlichen Zusammenhalt zerstört und
Millionen Menschen in Armut und Arbeitslosigkeit getrieben hat.
Nie wieder! Dieser
Schwur der vom Terror der Militärdiktaturen befreiten Demokraten gilt
auch für alle, die sich von der Diktatur der Märkte befreien wollen.
Deshalb kämpft Attac für die Besteuerung der Finanzspekulation,
insbesondere für die Tobinsteuer auf Devisenhandel, für die Auflösung
der Steuerparadiese und Off-Shore-Bankzentren, diese zynischen und schändlichen
Hinterhöfe der internationalen Finanzmärkte und Schlupfwinkel für
Schwerverbrecher und Kriminelle in Nadelstreifen. Deshalb kämpft Attac
für die Streichung der Schulden der Entwicklungsländer - die ohnehin
bereits mehrfach zurückgezahlt wurden - und für die Rückerstattung
der gigantischen Summen, die den Völkern von korrupten Machthabern und
Diktatoren jeglicher Couleur mit dem heimlichen Einverständnis der Banken,
Finanzinstitutionen und Regierungen des Nordens entwendet und im Ausland deponiert
wurden. Auch in Frankreich greift die Finanzmarktlogik immer mehr um sich.
Attac setzt dem Widerstand und Alternativen entgegen. Jede und jeder kann
sich mit ihnen vertraut machen, über diese diskutieren und ggf. auch
Mitglieder werden, um mitzuhelfen, dass aus Attac eine Bewegung wird, die
- um den Dichter Baudelaire zu zitieren - "die Koordinaten verschiebt".
Mit Attac
die Zukunft wieder selbst gestalten
Ebenso wie in
anderen großen Ländern haben Wahlen in Frankreich eine Tragweite,
die über die Landesgrenzen hinaus reicht. Frankreich ist ein wichtiges
Mitglied der Europäischen Union (EU) und kann deren Politik beeinflussen
oder sie in bestimmten Fällen sogar scheitern lassen. Dies gilt insbesondere
für die Welthandelsorganisation (WTO); auch im Exekutivdirektorium des
Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank hat Frankreich einen
Sitz; Frankreich ist Mitglied der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung (OECD), in der Entscheidungen im Konsens getroffen werden
und folglich der Zustimmung Frankreichs bedürfen; Frankreich ist Mitglied
des Nordatlantikpaktes (NATO), der theoretisch ebenfalls nach dem Konsensprinzip
arbeitet; Frankreich ist ständiges Mitglied des Sicherheitsrates der
Vereinten Nationen (UNO). Und dies sind nur die wichtigsten multilateralen
Organisationen, denen Frankreich angehört. Das Land verfügt also
über ein breites Instrumentarium, von dem die wenigsten - nicht einmal
die Parlamentarier - wirklich wissen, wie es genutzt wird.
Dennoch werden
in diesen Gremien, die meistens nur das Ziel verfolgen, die neoliberale Globalisierung
zu fördern und zu flankieren, strukturbildende Entscheidungen getroffen,
die sich nicht nur auf Frankreich, sondern auch auf viele andere Länder,
insbesondere die Entwicklungsländer auswirken. Diese Beschlüsse
werden anschließend der Öffentlichkeit als unvermeidliche Entscheidungen
aus "Brüssel", der WTO, des IWF, der Weltbank, der OECD etc. dargestellt, als ob es sich um Institutionen
handelte, mit denen unsere Regierung nichts zu tun hätte und bei denen
keine andere Wahl bestünde, als sich ihnen zu unterwerfen. Dabei haben
die Vertreter der französischen Regierung diesen Beschlüssen ausdrücklich
zugestimmt..
Es ist also höchste
Zeit, diese Institutionen ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken,
und jenen, die dort in unserem Namen politisch mitentscheiden, Rechenschaft
abzuverlangen. Denn dort fallen die wichtigen Entscheidungen! Und da die Wähler
der eigentliche Souverän der Demokratie sind, ist es auch ihr gutes Recht
zu erfahren, was in diesen dunklen Zonen der Demokratie vor sich geht. Bei
welcher Wahl gab es je Kandidaten, die sich zu diesen Fragen geäußert
hätten ?? An die Regierung übertragen die Wähler einen großen,
ja sogar den substantiellen Teil ihrer Souveränität. Aber genau
dadurch werden die Bürgerinnen und Bürger der Möglichkeit beraubt,
ihre Kontrollfunktion auszuüben. Das ist das Gegenteil partizipatorischer
Demokratie. Wenn es Attac 2002 gelingt, die französische Politik und
insbesondere die des Wirtschafts- und Finanzministeriums in den oben genannten
Organisationen zur Diskussion zu stellen und dazu beizutragen, dass sie unter
die Kontrolle der Volksvertreter kommt, dann wird Attac seinen Auftrag zur
Aufklärung der Öffentlichkeit - und des Parlaments ! - nicht verfehlen.
In erster Linie
muss bei den Entscheidungsmechanismen der Europäischen Union angesetzt
werden. Die Angelegenheiten der Gemeinschaft sind in wachsendem Maße
zugleich französische, belgische, spanische, deutsche usw. Belange. Es
gibt nur noch wenige Bereiche, in denen die nationale Politik noch völlig
autonom bleibt - das gilt selbst für Bereiche, wo es möglich wäre.
Nationale Politik ist in immer stärkerem Maße lediglich die Umsetzung
von Entscheidungen, die entweder durch die 15 Regierungen oder durch unabhängige
Instanzen getroffen wurden, die jeglicher demokratischen Kontrollen entzogen
sind: die Europäische Kommission oder die Europäische Zentralbank.
Die Mühlen der Gemeinschaft funktionieren, von wenigen Ausnahme abgesehen,
reibungslos als Liberalisierungs-, Privatisierungs- und Flexibilisierungsmaschinerie,
weitestgehend losgelöst von den Interessen der Bevölkerung. Damit
verkehrt sich die allgemeine Akzeptanz öffentlicher Verwaltung in eine
Politik der Gemeinschaft, die öffentliche Einrichtungen diskreditiert.
Welche Institutionen
sich jede/r Einzelne auch immer für die Zukunft Europas wünschen
mag - und die Meinungen dazu gehen legitimerweise auseinander - es muss dringend
eine starke parlamentarische Kontrolle über die EU-Politik hergestellt
werden. In erster Linie durch die nationale Abgeordneten, aber auch - wenn
man einem föderalistischen Konzept anhängt - durch das Europaparlament.
Lösungen gibt es, allerdings nur, wenn der politische Wille vorhanden
ist. Geben wir uns jedoch keinen Illusionen hin: Nahezu alle führenden
Politiker - ob an der Regierung oder danach strebend - fühlen sich in
diesen Zuständen sehr wohl. Real werden die europäischen Entscheidungen
von den nationalen Exekutiven getroffen, da die Regierungen den Ministerrat
bestimmen. Dieser wiederum bildet faktisch die Legislative, während das
Europäische Parlament nur eine sehr begrenzte Rolle spielt.
Dieses System
macht es übrigens auch möglich, den Bürgerinnen und Bürgern
auf dem Umweg über die EU unpopuläre Maßnahmen "unterzujubeln",
die Regierungen auf nationaler Ebene nur mit großen Schwierigkeiten
durchsetzen könnten. Die zukünftigen Parlamentarier müssten
als Erstes verlangen, dass sie - und mit ihnen die Wähler - in den wesentlichen
europäischen Angelegenheiten nicht nur ein Statistenrolle spielen. In
der öffentlichen Debatte wird sich zeigen, ob sie dazu bereit sind.
Während
schon die Entscheidungsmechanismen der EU ein beträchtliches demokratisches
Defizit erkennen lassen, unterliegen diejenigen in den internationalen Finanzinstitutionen
praktisch der Geheimhaltung. Wenn man die katastrophale Rolle kennt, die Weltbank
und IWF in den meisten Entwicklungsländern spielen, dann sollte man wissen,
welche Maßnahmen der französische Vertreter in beiden Institutionen
(in denen Frankreich einen Stimmenanteil von 5 % hat) unterstützt oder
ablehnt. Leider kennen wir die Antwort: ebenso wie bei den anderen europäischen
Ländern ist es die systematische Anpassung an die Positionen Washingtons.
In Asien, Afrika und Lateinamerika werden die Völker durch die Schuldenlast
ausgeblutet und durch die Konditionen der Strukturanpassungsprogramme, die
nichts anderes als die Umsetzung ultraliberaler Konzepte sind, geknebelt.
Völlig zu Recht wird die Verantwortung der Weltbank und dem IWF angelastet.
Aber mit gleichem Recht können die Regierungen angeklagt werden, die
in diesen Institutionen letztlich die Entscheidungen treffen - unter ihnen
die französische - und folglich auch diejenigen, die zulassen, dass diese
Regierungen so handeln: nämlich wir, die Bürgerinnen und Bürger
der Industrieländer.
Diese Entscheidungen
sind Geheimsache des Finanz-ministeriums. Die Parlamentarier bekommen erst
seit kurzem jährlich einen äußerst dürftigen Bericht,
der im Nachhinein von Finanzministerium erstellt wird. Diese Situation ist
nicht akzeptabel und bringt die sozialen Bewegungen sowie die Abgeordneten
in eine heikle Lage gegenüber den Ländern, die sie unterstützen
wollen. Bei einer konsequenten Linie besteht die wichtigste Aufgabe darin,
eine öffentliche Kontrolle des Parlaments und innerhalb eines akzeptablen
Zeitraums Stellungnahmen der Regierungsvertreter einzufordern, die ihrerseits
Möglichkeiten an die Hand bekommen sollten, die Bürgerbewegungen
zu informieren. Die Schaffung dauerhafter Strukturen, ähnlich der bereits
praktizierten Entsendung von Vertretern beider Parlamentskammern in die EU,
könnte dies ermöglichen. Dies sollte sich nicht auf die Weltbank
und den IWF beschränken, sondern sich natürlich auf die Vorhut der
neoliberalen Globalisierung, nämlich die WTO und die OECD erstrecken,
ebenso auf die Internationale Arbeitsorganisation (ILO), die Weltgesundheitsorganisation
(WHO), die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO), das Entwicklungsprogramm
der Vereinten Nationen (UNDP), auf die Weltorganisation für geistiges
Eigentum (WIPO) und auf zehn weitere multilaterale Institutionen, in denen
uns direkt betreffende Entscheidungen getroffen werden, die aber niemand außer
dem zuständigen Ministerium kontrolliert oder überhaupt kennt.
Es ist ein riesiges
Feld, auf dem die repräsentative und partizipatorische Demokratie ausgeübt
werden können, das jedoch von diesen Institutionen und ihren Praktiken
kaum bearbeitet wird. Es ist ein international zu bestellendes Feld. Sich
dieser Aufgabe zuzuwenden, bedeutet für Abgeordnete und Bürger gleichermaßen,
Schluss zu machen mit Politik als Schaugeschäft und in das Zentrum der
Macht vorzudringen. Die Herausforderungen für die Demokratie auf nationaler
Ebene sowie die Solidarität mit der übrigen Welt sind von planetarischen
Dimensionen.
Die Zukunft
der Arbeit im Zentrum der Reorganisation der Gesellschaft
Frankreich und
Europa haben wie alle OECD-Staaten das große Problem der Arbeitslosigkeit,
das verschiedene Ausprägungen annimmt. Die Wurzel des Übels liegt
in der zunehmenden Ausrichtung der Wirtschaft auf die Finanzmärkte. Das
führt zu einem verhängnisvollen Teufelskreis: die spekulativen Blasen
an Finanzmärkten profitieren zwar von Produktivitätszuwächsen,
die Gewinne daraus werden aber nicht an die Arbeitnehmer weitergegeben. Die
Löhne werden bei gleichzeitiger Produktivitätssteigerung gedrückt,
so dass eine extreme Umverteilung stattfindet. Die restriktive Lohnpolitik
führt wiederum zu einem mageren Wachstum. Gewinne werden nicht investiert,
sondern in Finanzanlagen gesteckt. Das führt zur ständigen Forderung
der Arbeitgeber, die Lohnkosten und die Sozialausgaben zu verringern, ein
Druck, der allgemein zu immer unsichereren Beschäftigungsverhältnissen
führt: unsichere Verträge; Teilzeitarbeit vor allem für Frauen,
Dequalifizierung usw. Die Kündigungen bei Michelin und Danone ausschließlich
zur "Pflege" der Aktienkurse verdeutlichen den Zusammenhang zwischen Finanzspekulation
und Abbau von Arbeitsplätzen.
Wagen wir es,
dieser Abwärtsspirale eine Neubewertung der Bedeutung des Arbeitslohns
entgegenzusetzen.- Der Gedanke, dass Vollbeschäftigung eine rückwärtsgewendet
oder gefährliche Utopie darstellt, weil sie die Inflation anheize, ist
nichts anderes als das Feigenblatt eines konservativen Diskurses, der die
wirklichen Interessen der Wirtschaft verdeckt, die jegliche Änderung
der Einkommensverteilung verhindern will.
Sowohl ein reale
Arbeitszeitverkürzung, die Arbeitsplätze schafft, als auch das reibungslose
Funktionieren des solidarischen Rentensystems, setzen eine Senkung der Einkommen
aus Finanzvermögen voraus. Eine Rückkehr zur Vollbeschäftigung
bedeutet folglich auch Lohnausgleich. Die Arbeitnehmer und diejenigen, denen
gekündigt wurde, widersetzen sich den Gehaltsvorstellungen des Arbeitgeberverbandes
Medef (Unternehmerverband in Frankreich, he) und fordern einen Arbeitnehmerstatus,
der sie vor unsicheren Arbeitsverhältnissen und der Zersplitterung der
Tarife schützt. Sie drängen auf eine gesellschaftliche Umgestaltung.
Öffentliche
Dienstleistungen schützen und reformieren
Auch wenn die
öffentlichen Dienstleistungen nicht perfekt sind, so bilden sie doch
die Struktur einer anderen als nur auf Marktprinzipien beruhenden sozialen
Ordnung ab. Sie garantieren einen gleichberechtigten Zugang für alle,
Gleichheit bei Gebühren und gleiche Behandlung. Sie sind der Beweis dafür,
dass sich manche Bereiche der Gesellschaft dem Zwang finanzieller Rentabilität
entziehen können, aber trotzdem erfolgreich sind: In Frankreich sind
das Verkehrsnetz, das Kommunikations- und Energienetz, das öffentliche
Gesundheitssystem - das von der Weltgesundheitsorganisation als das bester
der Welt angesehen wird - und das Bildungswesen, ungeachtet einigen Reformbedarfs
äußerst leistungsfähig.
Dabei geht es
um viel Geld. Diese öffentlichen Einrichtungen entziehen privaten Finanzspekulationen
sagenhafte Summen und spielen eine entscheidende Rolle dabei, dass die Logik
des Profits in den elementaren Bereichen des gesellschaftlichen Zusammenlebens
nicht die Oberhand über das Gemeinwohl gewinnt. Aus diesem Grund werden
sie unablässig von Unternehmerseite angegriffen. Auf europäischer
Ebene beschleunigen die Deregulierungen, die von der Kommission vorangetrieben
und von den Regierungen beschlossen werden, den Verfallsprozess der öffentlichen
Einrichtungen, wie beispielsweise in Großbritannien. Öffentliche
Unternehmen werden schrittweise zu multinationalen Unternehmen umstrukturiert,
mit dem letztendlichen Ziel der Privatisierung (EDF, GDF, SNCF= frz. öffentliche
Energie-versorgungsbetriebe und Eisenbahnen).
Die Welthandelsorganisation
kämpft mit ihren Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS)
an vorderster Front für die Privatisierung aller Dienstleistungsbereiche.
Für die WTO stellen diese Bereiche nichts anderes als Waren dar, darunter
die elementaren Dienstleistungen der Daseinsfürsorge wie Gesundheit oder
Bildung. Will man dieser Raffgier einen Strich durch die Rechnung machen,
muss der Begriff des öffentlichen Interesses wieder ernst genommen und
öffentlich, demokratisch, effizient und solidarisch gestärkt werden.
Kommt die
Bildung unter den Hammer ?
Die generelle
Privatisierung der Bildung ist ein Ziel, den Artikel 1 des Allgemeinen Abkommens
über den Handel mit Dienstleistungen (GATS) festschreibt. Der Wettlauf
in Richtung Vermarktung nimmt je nach Land und Kontinent sehr unterschiedliche
Züge an, ist jedoch immer mit einem ökonomischen und einem ideologischen
Ziel verbunden. Wie die Charta von Porto Alegre in ihrem Abschnitt über
öffentliche Bildung aufzeigt, führt diese Logik der Dominanz des
privatwirtschaftlichen Bereichs zu bodenlosen Ungleichheiten: ideologische
Gleichschaltung durch die multinationalen Konzerne dieses Sektors, Privilegien
der Reichen gegenüber den Armen und des Nordens gegenüber dem Süden,
Vorrang des Schulbesuchs der Jungen auf Kosten der Mädchen usw.
In Frankreich
kommt die neoliberale Offensive aus dem Bildungswesen selbst. Das liegt an
der Besonderheit des französischen Bildungssystems, das auf der Grundlage
der öffentlichen und laizistischen Schulen beruht. Dabei wird stets auf
die "Werte des Unternehmertums" hingewiesen, die letzten Endes jedoch nur
die Werte der Arbeitgeber widerspiegeln. Auf diese Weise werden alle möglichen
Maßnahmen gerechtfertigt: Reklame für multinationale Marken in
den Schulen, Gebrauch pädagogischer Arbeitsmittel mit Schleichwerbung
für Banken oder Unternehmen, sowie die Einführung des Wettbewerbs
zwischen den Schulen. Die Umsetzung der liberalen Dogmen auf das Schulsystem
führten vor dem Hintergrund der Arbeitslosigkeit zu massiven Ungleichheiten
zwischen den Schulen, zu Schulversagen und zum Verlust kultureller Orientierung.
Das Misstrauen gegenüber den Schulen sowie die Gewalt, in der sich dies
Misstrauen nur allzu oft ausdrückt, sind einige der beunruhigendsten
Anzeichen dafür. Nur wenn man mit diesen Dogmen bricht, wird es möglich
sein, wieder Bildung für alle und pädagogische und soziale Erfolge
zu haben.
Steuern
- Teufelszeug oder Instrument für Gerechtigkeit und Solidarität
?
Wer von Gemeinwohl
und öffentlichen Dienstleistungen spricht, meint damit auch Finanzierung
durch den Staat. Die Liberalen prangern Steuern als Ursache für sozialen
Stillstand an, der angeblich die Eigeninitiative ersticke. Prompt versprechen
unsere Regierungen "weniger Steuern"! Das ist die reinste Demagogie. Steuern
sind für die Finanzierung gesellschaftlicher Ausgaben da und befriedigen
somit kollektive Bedürfnisse. Nur über den Grad der Erfüllung
dieser sozialen Bedürfnisse kann man feststellen, ob es "zu viele Steuern"
gibt oder nicht.
Steuern müssen
außerdem auf eine gerechte Art und Weise erhoben werden. Im Gegensatz
zum heute üblichen wäre Steuergerechtigkeit, wenn die Bürger
gemäß ihrem Einkommen oder Vermögen zur Finanzierung der öffentlichen
Ausgaben beitragen. Unser System der schwachen Steuerprogression ist weit
davon entfernt! Es zeichnet sich durch geringes Aufkommen bei Einkommenssteuern
aus, die zusammen mit der Vermögenssteuer die einzige Art progressiver
steuerlicher Veranlagung darstellen. Diese Steuern betragen in Europa durchschnittlich
13% des Bruttoinlandsprodukts, in Dänemark 32%, in Frankreich aber lediglich
9,5 %!
Besonders ungerecht
ist die Mehrwertsteuer als wichtigste Steuerquelle (in Frankreich 45%, während
die Einkommenssteuer bei 20% liegt), da der Sozialhilfe-empfänger den
gleichen Steuerbetrag entrichten muss wie der Vermögende, wenn er eine
mehrwertsteuerpflichtige Ware oder Dienstleistung kauft. Statt dessen sollten
die Einkommenssteuer und die Vermögenssteuer erhöht und auf der
Grundlage der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erhoben werden, um
so die ungleiche Besteuerung von Arbeit und Kapital zu verringern. Denn die
Unternehmenssteuer (etwa 250 Milliarden Francs) bringt weniger ein als die
Einkommenssteuer (etwa 300 Milliarden Frans). In Anbetracht der Gewinnsteigerung
der Unternehmen wäre es gerecht, den Steuersatz zu erhöhen und auf
die unterschiedlichen Gewinne zu verteilen. Eine höhere Besteuerung würde
demnach Gewinne belasten, die ohne Wertschöpfung erzielt wurden (Einkünfte
aus Finanzgeschäften, Spekulation, usw.).
Unternehmen,
die durch eine hohe Quote an unsicheren Arbeitsplätzen oder durch Verzicht
auf den Fakttor Arbeit überhaupt einen großen Mehrwert produzieren,
sollten ebenfalls stärker besteuert werden.
Das Gesundheitswesen
im Norden wie im Süden wiederherstellen
Es ist kaum bekannt,
dass heutzutage Krankenhäuser an der Börse notiert werden. Diese
Unternehmen haben eine besondere Struktur, bei der die Patienten den Rohstoff
bilden. Sie sind natürlich teurer als Krankenhäuser in öffentlicher
Trägerschaft, aber sie verlangen ständig beträchtliche öffentliche
Mittel für ihre Betriebsausgaben. Diese Situation gibt uns einen Vorgeschmack
auf ein Gesundheitssystem, das nur noch der Logik des Marktes unterliegt.
Tatsächlich
führen die Interessen der multinationalen Pharmakonzerne sowie die Orientierung
an betriebs-wirtschaftlichem Rentabilitätsdenken unter dem Deck-mäntelchen
von "Kostenkontrolle" und "Sparmaßnahmen" zu einem immer teureren und
anfälligen Gesundheitssystem mit zunehmend ausschließendem Charakter
gegenüber weniger zahlungskräftigen Patienten. Diese Art der Medizin
und ihre Institutionen, die nur oberflächlich die Symptome behandeln,
berücksichtigen häufig nicht die Lebens- und Arbeitsbedingungen
und reduzieren das Gesundheitswesen oft auf die Verordnung von quantifizierbaren
und "rentablen" Behandlungen.
Durch diese von
der WTO bis zum äußersten getriebene Logik werden die Vermarktung
des Gesundheitswesens, der vermehrte Einsatz von Einwanderern, also "billigerem"
Pflegepersonal, die kontinuierliche Senkung der "Gesund-heitskosten" (Schließung
kleiner Einrichtungen, von Geburtshilfestationen, Abbau der Bettenzahl, Wettbewerb
wischen den Einrichtungen usw.) vorangetrieben. Diese Marktlogik erschwert
die Mobilisierung finanzieller Mittel für die Bekämpfung von AIDS
und anderen Seuchen. Zum Schutz ihrer finanziellen Interessen ging die Pharmaindustrie
beispielsweise soweit, Brasilien und Süd-afrika die Herstellung von Generika
zu niedrigeren Kosten verbieten zu wollen. Nur die Mobilisierung der internationalen
öffentlichen Meinung hat zaghafte Fortschritte auf die WTO- Konferenz
von Doha ermöglicht. Aber die Bedürfnisse der Länder des Südens
werden weiterhin kaum berücksichtigt. Auf ihre Art leiden die "reichen"
Länder unter derselben Politik: Da das Solidaritätsprinzip im Krankheitsfall
durch das Prinzip der Zahlungsfähigkeit ersetzt wurde, erhält derjenige,
der zahlen kann, eine Behandlung, die sich nach der Höhe seiner finanziellen
Mittel richtet. Die anderen werden einer zufallsbedingten Minimalmedizin anvertraut.
Daher die Angriffe vor allem aus den höheren Etagen der Versicherungsunternehmen
gegen unser System der sozialen Sicherung, das auf der Solidarität durch
Sozialver-sicherungsbeiräge und auf Gegenseitigkeit beruht.
Der Generationsvertrag
- Renten aus massivem Gold
In Frankreich
entgeht der überwiegende Teil der Rentengelder noch den Finanzmärkten.
Es versteht sich, dass die 1100 Milliarden Francs, die jedes Jahr an die Rentner
gezahlt werden, den Bankiers und Versicherungsträgern das Wasser im Munde
zusammenlaufen lassen. Daher ihr massives Lobbying für die Einrichtung
von privaten Rentenfonds, deren gegenwärtigen Pleiten jedoch auch deren
Unzuverlässigkeit zeigen. Aber sie geben sich nicht damit zufrieden,
die Rentengelder in die Hand zu bekommen. Die Arbeitgeber kämpfen auch
darum, das Rentensystem für die Allgemeinheit zu verschlechtern, zunächst
durch die Forderung nach einer Verlängerung der Beitragszahlungen. Erst
dann soll die Rente in voller Höhe ausgezahlt werden. Die demographische
Entwicklung wird als Argument angeführt: durch die steigende Rentnerzahl
könne das derzeitige System nicht dem neuen Finanzierungsbedarf gerecht
werden. Alle Studien ergeben jedoch, dass durch eine geringfügige Erhöhung
der Beitragszahlungen der Arbeitgeber (laut frz.
Rentenrat maximal 0,37 Punkte pro Jahr) das gegenwärtige Rentenniveau
im Vergleich zur Lohnentwicklung gehalten werden könnte. Denn wenn nichts
unternommen wird, führt die derzeitige Entwicklung zu einer relativ starken
Senkung der Renten bis zum Jahr 2040 (etwa um 20 % des Rentenniveaus). Eine
Beitragserhöhung muss insofern stark relativiert werden, als der Anteil
der Löhne am Mehrwert („das durch Unternehmen geschaffene Vermögen“)
in den letzten 20 Jahren um 10 Prozent gefallen ist. Es gibt also einen großen
Handlungsspielraum. Eine Angleichung des Lohnanteils hätte übrigens
neutrale Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, voraussetzt,
dass sie durch eine Senkung der Dividenden der Aktionäre kompensiert
würde. Diese sind allerdings jedes Jahr gestiegen. Katastrophenstimmung
ist also nicht angebracht. Das solidarische Rentensystem hat Zukunft - man
muss sich jedoch dafür einsetzen. Außerdem ist dieses System ein
tragendes Element unserer demokratischen und solidarischen Gesellschaft. In
diesem Umverteilungssystem bestimmt nicht die Situation an den Finanzmärkten
die Höhe der Renten, sondern die Gesellschaft, die politisch entscheidet,
wie groß der Anteil des erwirtschafteten Reichtums sein soll, der an
die ältere Generation geht.
Wirtschaftliche
Alternativen entwickeln und umsetzen
Für die
neoliberale Denkweise ist die Ökonomie eine Wissenschaft, die weder Diskussionen,
Alternativen noch Versuche duldet: Der Markt ist der alleinige Heilsbringer.
Deshalb verdammt sie mal stärker, mal schwächer, je nach Zeitpunkt
und Situation alles, was nicht in ihr Weltbild passt: öffentliche Einrichtungen,
Genossenschaften, kooperative Bewegungen. Das sind Konzepte und Erfahrungen,
die Wirtschaftliches und Soziales verbinden und Faktoren wie gegenseitigen
Respekt, die Erhaltung der Umwelt und der natürlichen Ressourcen sowie
Verteilungsgerechtigkeit berücksichtigen.
Dieser vielfältige
Sektor, der oft als soziale und solidarische Wirtschaft bezeichnet wird, weil
er demokratische du partizipatorische Prinzipien verteidigt, kann den Bürgerinnen
und Bürgern dazu verhelfen, sich die Wirtschaft von der lokalen bis zur
globalen Ebene wieder zu Eigen zu machen. Diese Organisationsformen der Güter-
und Dienstleistungsproduktion (Vereine, Verbände, Genossenschaften),
die sowohl in den Ländern des Südens als auch des Nordens existieren,
zeigen, dass Wirtschaft nicht unbedingt mit Ausbeutung, Spekulation, Verlagerung
ins Ausland und Entlassungen einhergehen muss. Sie agieren zu Gunsten lokaler
Zusammenhänge und der Bevölkerung und stellen nicht die betriebswirtschaftliche
Logik in den Vordergrund.
Diese Unternehmen
mit ihrer besonderen Rechtform regen ein auf die Praxis ausgerichtetes Nachdenken
über die Bedeutung gesellschaftlichen Eigentums an und zeigen dass Alternativen
möglich sind: solidarische, gerechte Alternativen, welche die sozialen
und ökologischen Gesetze und das Prinzip der Geschlechtergerechtigkeit
weltweit einhalten.
Diese Vielfalt
wirtschaftlicher Ansätze, die Schaffung spezifischer gesetzlicher und
steuerlicher Rahmenbedingungen und Regelungen zur Vergabe öffentlicher
Aufträge bieten also auseichende Grundlagen für den Aufbau einer
solidarischen Wirtschaft, und zwar hier und jetzt.
(xxstop12he)
Die Bedrohung
der Erde durch die Vermarktung
Die reichen Länder
werden für Katastrophen wie Tankerunglücke, Chemieunfälle und
BSE immer anfälliger. Industrielle und gesundheitliche Risiken nehmen
augrund fehlender Vorsorge und Schutzmaßnahmen sowie die Abschaffung
staatlicher Regulierung ständig zu. In den Ländern des Südens
haben die ärmsten Bevölkerungsgruppen als erste unter der Umweltzerstörung
zu leiden. Dennoch zwingen die Strukturanpassungsprogramme des IWF und der
Weltbank sie, ihre Ackerböden und Wälder für die Herstellung
von Exportgütern zu opfern, um damit die Auslandsschulden begleichen
zu können.
In diesem Zusammenhang
folge eine internationale Konferenz der anderen, aber sie enden stets mit
einem faulen Kompromiss. Beispielsweise seiht das im Jahr 2001 gebilligte
Kyoto-Protokoll vor, der Börse das Recht auf den Handel mit Emissionsrechten
einzuräumen, ein Umweltschutz, der eben gerade durch das Gesetz des Marktes
gefährdet wird. Es sind keinerlei Sanktionen vorgesehen, und unter dem
Deckmäntelchen der "Hilfe zur Selbsthilfe" für die armen Länder
sehen sich die reichen Länder von zwei Dritteln ihrer Verpflichtungen
befreit, die sie in diesem Bereich zu leisten hätten.
Man muss diesen
Teufelskreis durchbrechen. Das allgemeine, kollektive Eigentumsrecht auf öffentliche
Güter und nicht erneuerbare Ressourcen ist unveräußerlich.
Internationale demokratische Einrichtungen müssen sicherstellen, dass
das eingehalten wird. das müssen für jeden Bereich Standards eingeführt
werden, die dem aktuellen Wissensstand entsprechen. Diese gehen einher mit
spezifischen Verpflichtungen für jeden Staat, die vom jeweiligen Entwicklungsstand
abhängen und gegebenenfalls von Sanktionen begleitet werden.
Der Einsatz ökonomischer
Instrumente wie Ökosteuern, die das Verursacherprinzip stärken und
das Konsumverhalten ändern, muss auf jeden Fall mit einer Strukturpolitik
zur Veränderung von Produktionsprozessen verbunden werden. Zum Beispiel
wäre eine Besteuerung von Warenaustausch auf der Straße wenig wirksam,
solange nicht gleichzeitig das Schienennetz ausgebaut wird.
Das Streben nach
Wirtschaftswachstum ergibt nur dann einen Sinn, wenn es dem Wohle aller Menschen
dient und die Lebenschancen zukünftiger Generationen erhält. Nicht
jede Art von Wachstum ist wünschenswert. Notwendig ist ein Wachstum,
das qualifizierte Arbeitsplätze garantiert und den Erhalt von Ökosystemen
gewährleistet. Auf ein Wachstum, das zu unsicheren Arbeitsplätzen
führt und die Umwelt zerstört, muss hingegen verzichtet werden.
Wasser
- ein schützenswertes Allgemeingut
Ohne Wasser gibt
es kein leben. Das ist eine hinreichende Unterscheidung zu einer Ware. Jeder
Mensch müsste also Zugang zu sauberem Trinkwasser haben, in einer für
das Leben und für diverse Tätigkeiten ausreichenden menge. Davon
sind wir weit entfernt: jeder dritte Erdbewohner hat keinen Zugang zu Trinkwasser, während innerhalb
von weniger als einem haben Jahrhundert die Kontrolle über dieses werbvolle
Nass und dessen Verkauf einem kleinen Kreis finanzstarken Unternehmen zu Macht
und Bereicherung verholfen haben.
In dieser Hinsicht
spielt Frankreich eine besondere Rolle. Frei multinationale Konzerne (Vivendi,
Suez, Saur-Bouygues) teilen sich durch gepachtete Konzessionen 77 % der Trinkwasserversorgung
und einen wachsenden Anteil an anderen Dienstleistungsbereichen (Stadtsanierung
und Müllabfuhr).
In Frankreich
verkaufen diese Unternehmen Wasser für durchschnittlich 20 % mehr als
die Gemeinden und die gemischten Konsortien, die die Trinkwasserversorgung
in Eigenregie sicherstellen. Durch die damit erzielten Gewinne können
sie ganz verschiedene Unternehmungen, vor allem im Bereich der Kommunikation,
aufbauen. In zig Ländern weltweit besitzen sie das Wassermonopol. Vivendi
und Suez stehen in diesem Bereich weltweit auf den ersten Plätzen.
In den "reichen"
Ländern verweisen sich die industrielle Landwirtschaft und Viehzucht
nicht nur als die größten Wasserverbraucher, sondern auch als ökologisch
besonders unverträglich. In den Ländern des Südes wird Wasser
sowohl für die Aufrechterhaltung eines umweltschädlichen Wachstums,
vor allem durch Staudämme, als auch als Mittel militärischer Überlegenheit
benutz.
Es ist also wichtig,
Initiativen zu unterstützen, die sich für die Eindämmung des
enormen Wasserverbrauches durch die landwirtschaftlichten Großbetriebe
und die Eigenkontrolle über die Ressource Wassers einsetzen. International
sollte sich die Öffentlichkeit die Kontrolle über das Wasser durch
einen globalen Wasservertrag wieder zurückholen. Dementsprechend muss
Frankreich fordern, Wasser als Gemeinschaftsgut der Menschheit aus den Verhandlungen
über GATS auszuschließen.
Demokratie
geht auch durch den Magen
Die ständige
Verringerung der Landbevölkerung, ständig wiederkehrende Probleme
mit Seuchen, Landverödung und die Zerstörung
ökologisch wertvoller Agrarflächen: Alles weist darauf hin, dass
es an der Zeit ist, ein anderes Landwirtschaftsmodell zu entwickeln, das sich
nicht am Gewinn orientiert, wie heute in Frankreich und Europa üblich.
Rein gewinnorientierte
Entscheidungen zwingen zu einer Niedrigpreis-Landwirtschaft, vernichten Einkommen
aus landwirtschaftlicher Arbeit und folgen allein der kommerziellen Wettbewerbslogik.
Diese Perspektive ist in jeder Hinsicht zerstörerisch.
Der Beruf des
Bauern erfüllt nämlich drei Funktionen: Herstellung von Nahrungsmitteln
in ausreichender Menge und Qualität, Sicherstellung einer sozialen Dimension
durch die Schaffung von Arbeitsplätzen und schließlich Erhaltung
der natürlichen Ressourcen und der biologischen Vielfalt, um die Weitergabe
des Gemeingutes an nachfolgende Generationen sicherzustellen.
Im Süden
destabilisiert die industrielle Landwirtschaft die lokalen Märkte, ruiniert
die Subsidenzwirtschaft und reduziert die Ernährungssicherheit. Im Norden
institutionalisiert sie eine problematische Dualität von Nahrungsmitteltypen,
einerseits die Produkte der Nahrungsmittelindustrie, die in vielerlei Hinsicht
gefährlich sind, andererseits einige Nischen mit Qualitätsprodukten,
die den besser gestellten Konsumenten vorbehalten sind.
Der Aufbau einer
demokratischen Gesellschaft erfolgt auch i Bereich Ernährung. Deshalb
sind Genmanipulation, genmanipulierte Organismen und Patente auf Leben in
der Landwirtschaft - die einzig darauf abzielen, Landwirte und Konsumenten
den Gesetzen des Marktes und einigen weltweit tätigen Agrokonzernen auszuliefern
-- nicht akzeptabel. Das Verbot der Patentierung von Lebewesen, die ein unveräußerliches
Gemeingut der Menschheit sind, kann nur über die Aufhebung der entsprechenden
europäischen Richtlinie verfolgen.
Frankreich und
Europa müssen den Bauern das Recht zuerkennen, wieder ihr eigenes Saatgut
auszubringen und müssen deren Leistung und die der ländlichen Gemeinschaften
für die Bewahrung der Artenvielfalt anerkennen.
Die kulturelle
Vielfalt verteidigen
Jean-Marie Messier,
Chef des multinationalen Konzerns Vivendi, hat durch seine Forderung nach
einem Ende der "französischen kulturellen Ausnahme" die Diskussion um
die Vermarktung der Kultur wieder entfacht.
Frankreich ergriff
staatliche Maßnahmen, um künstlerisches Schaffen und dessen Verbreitung,
vor allem das Netz der Buchhandlungen, zu schützen. In einigen europäischen
Ländern wurden ähnliche Gesetze verabschiedet.
Dabei geht es
vor allem um die Preisbindung für Bücher, die Einführung von
europäischen und nationalen Quoten für Radio- und Fernsehproduktionen
(Musik und Spielfilme), die Verpflichtung der Fernsehkanäle (vor allem
Canal+, der einige gebührenpflichtige Kanal im Richtunknetz), sich an
der Filmproduktion zu beteiligen, sowie die Abgabe eines Teils der Kinoeinrittsgelder
an europäische Filmschaffende.
Diese Maßnahmen
zeigten einige positive Auswirkungen. Das Wiederaufleben des französischen
Kinos wäre zum Beispiel ohne die Zuschüsse aus den erzielten Einnahmen
nicht möglich gewesen.
Sicherlich sind
durch den Tausch von Musik im Internet einige neue Fragen aufgeworfen worden.
Aber auf europäischer Ebene müsste jede Reform das Ziel verfolgen,
die Verbreitung von Kunst und Kultur zu erschwinglichen Preisen zu fördern
und gleichzeitig zu gewährleisten, dass die Künstler ein ausreichendes
Auskommen haben, um ihren Beruf ausüben zu können.
Die Haltung der
multinationalen Untenehmen und Großkonzerne wird durch die Offensive
von Jean-Marie Messier deutlich. Er möchte die Verpflichtungen für
Canal+ und allgemein das System der Unterstützung des französischen
Films abschaffen, um die Ausstrahlung amerikanischer Produktionen, die ohnehin
bereits allgegenwärtig sind und an denen er ebenfalls beteiligt ist,
zu erleichtern. Die französischen Produzenten haben sich dieser Herausforderung
gestellt und den Kampf eröffnet. Wir unterstützen sie dabei.
Über
die Grenzen hinaus agieren
Wir wollen uns
eine gegebene Tatsache in Erinnerung rufen: Die neoliberale Globalisierung
erfolgt weltweit. Die widerstände, die ihr entgegenzusetzen sind, und
die zu erarbeitenden Alternativen müssen also auf der gleichen Ebene
ansetzen, um Wirkung zu zeigen. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Zwischenebenen
- also in unserem Fall die französische und die europäische Ebene
- an Bedeutung verlieren würden: Auch wenn di Definition der Ziele grenzüberschreitend
ist, so findet deren Umsetzung doch im spezifischen nationalen Umfeld statt,
ohne dass es dafür überall eine einheitliche Vorgehensweise gäbe.
Daher richtet
Attac seine Strategie und Aktionen von Anfang an auf die internationale Ebene
aus. Angesichts einer globalisierten Finanzwelt erfordern die Regulierung
und die Umverteilung tatsächliche einen weiträumigen Ansatz und
eine kritische Masse. Deshalb haben wir in einem ersten Schritt, vor der Ausweitung
auf die übrige Welt, nicht nur für eine französische, sondern
stets für eine europäische Tobin-Zone plädiert.
Allerdings darf
das von der Nationalversammlung verabschiedet Gesetz zur Umsetzung dieser
Maßnahme (jedoch nur, falls die anderen betroffenen Parlamente zustimmen)
nicht als ein Art "Schwarzer Peter" verstanden werden, der anderen weitergegeben wird. Es handelt sich um
einen echten politischen Erfolg und eine wichtige Unterstützung für
unsere europäischen Partner, die in ihren jeweiligen Ländern dafür
kämpfen, dass dort eine solche Entscheidung getroffen wird. Diese Methode
gilt für alle unser wichtigen Kampagnen.
Der Schuldenerlass
für die Länder der Dritten Welt war im Jahr 2000 Gegenstand der
weltweiten Kampagne "Erlassjahr 2000", dem wir uns angeschlossen haben. Wir
haben versucht, in Frankreich aktiv zu werden, da wir dort über Hebel
und Druckmittel auf unsere eigene Regierung verfügen. Gleichzeitig haben
wir im Rahmen unserer Möglichkeiten eine Informations- und Aufklärungskampagne
durchgeführt. Im Hinblick auf die Krise in Argentinien, die morgen vielleicht
schon die Türkei oder ein anderes Land ereilen könnte, wurde die
Schuldenfrage noch brisanter. Sie verdeutlicht die Notwendigkeit einer demokratischen
Kontrolle der von der französischen Regierung im IWF und in anderen Gremien
eingenommenen Position. Außerdem verschlimmert sie die Lage der Frauen,
die in ganz besonderem Maße Opfer der neoliberalen Politik, aber auch
die aktivsten Kämpferinnen für deren Verhinderung sind. Deshalb
unterstützt Attac die weltweit vernetzten Fraueninitiativen.
Die gleiche Logik
gilt für die Forderung nach Beschaffung der Steuerparadiese und Offshore-Zentren.
Die europäische Ebene scheint dafür der passende Rahmen zu sein,
denn in Europa breiten sich diese rechtsfreien Zonen schnell aus. Unsere Aufklärungsarbeit
(durch die Studien und Veröffentlichungen des wissenschaftlichen Beirates
von Attac) sowie unsere Aktionen in Andorra, Jersey, Luxemburg und Monaco
belegen das.
Die Vorhaben
der Welthandelsorganisation (WTO) verknüpfen die lokale, nationale, gemeinschaftliche
und internationale Ebene sehr eng miteinander. Es gibt zwar eine einheitliche
Wirtschaftspolitik innerhalb der Europäischen Union, diese wird aber
durch die Mitgliedsstaaten festgelegt. Daher können wir nur in unseren
jeweils eigenen Ländern eingreifen.
Deshalb haben
wir anlässlich der Verhandlung des Vertrages von Nizza im Jahre 2000
dafür gekämpft, dass die Einstimmigkeitsregel bei der Entscheidung
über das Mandat der Kommission im Bereich des Handels mit Dienstleistungen
erhalten bleibt. Ihr Mandat umfasst vor allem die Bereiche Bildung, Gesundheit
und Kultur, die alle auch Gegenstand des Allgemeinen Abkommens über den
Handel mit Dienstleistungen (GATS) sind. Andernfalls hätten wir einen
wertvollen Hebel verloren, um dem Drang der Mehrheit der restlichen Mitgliedsstaaten
nach freiem Warenaustausch entgegenzuwirken.
Unser nächster
Kampf gegen die von der WTO ausgehenden Bedrohungen wird sich mit großer Sicherheit gegen die Genmanipulation
richten. Die Regierung Bush will, nachdem sie den Erfolg von Doha erzielt
hat, nun sehr schnell noch weiter gehen: Sie hat ihren Willen betont, die
EU zur Erlaubnis von Importen neuer genmanipulierter Produkte zu zwingen,
damit die Gewinnsucht amerikanischer multinationaler Agro- du Chemiekonzerne
befriedigt werden kann. Gelinde gesagt kann man nicht auf die Entschiedenheit
der Europäischen Kommission zählen. Aber da die Entscheidung letzten
Endes von den 15 Mitgliedstaaten getroffen wird, müssen uns die Kandidaten
der nächsten Wahlen unverzüglich Rede und Antwort stehen: Importgenehmigung
- ja oder nein?
Es wird deutlich,
dass wir innerhalb eines meist europäischen oder internationalen Rahmens
handeln, da auf diesen Ebenen die relevanten Entscheidungen getroffen werden.
Dennoch bedeutet das in jedem Fall, dass wir uns zunächst vorrangig in
Frankreich mobilisieren, und zwar gemeinsam. Attac bleibt stets offen für
Kooperation und sucht die Übereinstimmung mit anderen Bewegungen, die
dieselben Ziele verfolgen. Die Tatsache, dass unterschiedliche Vereinigungen
und Gewerkschaften zu unseren Gründungsmitgliedern zählen, ist ein
besonders wertvoller Pluspunkt. Das erlaubt uns, von deren eigenem Engagement,
von ihrem Wissen und ihren Erfahrungen, die sie im Laufe der Jahre erworben
haben, zu profitieren.
Au internationaler
Ebene gilt die gleiche Logik. Wir nehmen unsere Partnerbewegungen so wie sie
sind. Ihr Charakter und ihre sonstigen Ziele eisen von Fall zu Fall beträchtliche
Unterschiede auf. Die Einrichtung eines Netzes von Attac-Verbänden, die
bereits in 40 Ländern präsent sind, stellt natürlich einen
beachtenswerten Aspekt dieser Strategie dar. Viele dieser Verbände spielen
die gleiche Rolle wie Attac Frankreich: Sie sind Knotenpunkte für kämpferische
pluralistische Kräfte und sie lassen sich nicht vor fremde Karren spannen.
Es fällt übrigens auf, dass man überall die beiden gleichen
Merkmale wie bei uns finden kann: Ein spontan angenommenes Profil einer handlungsorientierten
Aufklärungsbewegung und die Fähigkeit, Männer und Frauen einzubeziehen,
die sich nicht unbedingt damit anfreunden können, in eine Partei einzutreten,
nicht einmal in die Gewerkschaft. Attac nimmt auf diese Weise Kräfte
im Kampf gegen die neoliberale Mobilisierung und für die Erarbeitung
von Alternativen auf, die bisher noch keinen organisierten Rahmen gefunden
haben, um ihren Wunsch nach gemeinsamen Denken und Handeln zu realisieren.
Das Weltsozialforum
(WSF) in Porto Alegre, zu dessen Entwicklung Attac einen großen Teil
beigetragen hat, ist dieses Mal auf weltweiter Ebene Ausdruck für den
überall vorhandnen Willen, Kämpfe, Hoffnungen und Vorschläge
zu globalisieren. Dort finden sich Gewerkschaften, Vereine, NGO`s sowie Abgeordnete
aus aller Welt gleichermaßen ein.
Wir fürchten
diesen engen Dialog mit den politischen Verantwortlichen absolut nicht. Er
wird im gegenseitigen Respekt von der Identität und Verantwortung des
jeweiligen Gegenübers geführt. Er mindert damit keineswegs unsere
Unabhängigkeit von ihnen und er kann sie ermuntern, die Anliegen der
sozialen Bewegungen besser zu verstehen, die meisten entschärft und verwässert
in den nationalen Parlamentsstuben und Regierungspalästen ankommen.
Hier ist das
WSF ein Mittel, die repräsentative Demokratie mit mehr Leben zu erfüllen,
nach dem weltweit bekannten Beispiel der Gastgeber-Stadt des WSF Porto Alegre,
und das mit der Forderung nach partizipativer Demokratie zum Ausdruck zubringen.
Attac in
Frankreich und in 39 weiteren Ländern
Laut seiner Satzung
wurde Attac am 3. Juni 1998 in Frankreich mit folgenden Zielen gegründet:
"Erstellung und Verbreitung von Informationsmaterial sowie Förderung
und Durchführung von Aktionen jeder Art, damit die Bürger die Macht
zurückgewinnen, die die Finanzwelt auf alle Aspekte des öffentlichen,
wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Lebens in der ganzen Welt ausübt.
Zu diesen Mitteln gehört die Besteuerung der Transaktionen auf dem Devisenmarkt
(Tobinsteuer)." Das Heißt, dass Attac zum einen seine Aufgabe in der
öffentlichen Aufklärung und in Aktionen gegen die Diktatur der Märkte
sieht, sich diese Aufgabe zum anderen aber nicht nur einem internationalen
Rahmen setzt, sondern auch in einem internationalistischen. Die Solidarität
mit den Gesellschaften der anderen Länder der Welt steht dabei im Mittelpunkte
seiner Vorgehensweise.
In Frankreich
ist Attac sehr schnell gewachsen: Ende November 2001 zählte die Organisation
bereits 288.000 Mitglieder (das sind 17 % Steigerum im Vergleich zum Vorjahr)
sowie 230 Lokalkomitees, die die Aktivitäten in allen Regionen einschließlich
der französischen Übersee-Gebiete betreuen.
In zahlreichen
Ländern haben sich spontan Attac-Gruppen gebildet. Das beweist, dass
dieses Konzept, das den liberalen Dogmen Reflexion und Aktion entgegensetzt,
weit über die Grenzen Frankreichs hinaus Anklang findet. Im Moment gibt
es 39 Gruppen, die bereits gegründet sind oder kurz vor der Gründung
stehen.
Diese befinden
sich in folgenden Kontinenten und Ländern:
Afrika Burkina Faso,
Kamerun, Marokko, Mali, Senegal, Tunesien
Lateinamerika Argentinien,
Bolivien, Brasilien, Chile, Costa Rica, Dominikanische Republik, Ecuador,
Kolumbien, Paraguay, Peru, Uruguay, Venezuela
Nordamerika Quebec
Asien Japan
Europa Belgien,
Dänemark, Deutschland, Finnland,
Griechenland, Vereinigtes
Königreich (Nord-irland), Italien, Luxemburg, Niederlande, Norwegen,
Österreich, Polen, Portugal, Republik Irland, Schweden, Schweiz, Serbien,
Spanien, Ungarn, Frankreich.
Auch wenn sich
diese Organisationen alle mit dem Programm der internationalen Bewegung Attac
identifizieren, das im Dezember 1998 verabschiedet wurde, so hat doch jede
ihre eigene Geschichte und ihre eigenen Funktionsweisen. Es handelt sich um
ein Netz ohne Zentrale, innerhalb dessen die Information ständig zirkuliert,
dank gemeinsamer Instrumente wie Arbeitsunterlagen, Website und mehrsprachige
Newsletter (http://www.attac.org) und auch
dank kontinentaler und weltweiter Treffen (zum Beispiel anlässlich des
Weltsozialforums in Porto Alegre). Alle diese Organisationen nutzen dasselbe
rot-weiße Logo, das man auf den Fahnen und Transparenten bei den großen
Veranstaltungen in allen Kontinenten wiederfindet.
In Europa, egal
ob in Millau, Nizza, Göteborg, Genf oder Brüssel, hat Attac seine
Fähigkeit bewiesen, sehr viele Aktivisten gegen die ultraliberale Politik
der internationalen Finanzinstitutionen, der G8 und der EU zu mobilisieren.
(Übersetzung und Texterfassung nicht im einzelnen
überprüft. Wir bitten um Hinweise auf Fehler und Korrekturen. Bitte
prüfen Sie im Zweifelsfall anhand der auf dieser site abgebildeten franz.
Originalversion., he, 07.03.2002)
Originalversion
bei attac Frankreich oder auf http://www.chattus.de/attac / im Bereich
Dokumente/Downloads.