Dr. Brigitte Young
  Professorin am Institut für Politikwissenschaften 
  Uni Münster
Die Debatten um die neue Weltordnung nach dem Ende des Irakkriegs rekurrieren überwiegend auf ideologische Motive und die Hegemonie der Neo-Konservativen seit dem 11. September 2001. Das greift jedoch zu kurz. 9/11 ist nicht die Ursache für die messianische Vision einer US-dominierten Hegemonialordnung, sondern ermöglichte die Durchsetzung einer neuen ökonomischen und militärischen Weltordnung, die aus der Krise der 70er Jahre hervorgegangen ist. Diese neue neoliberale Weltordnung hat zu mehr Armut, Verelendung und Ungerechtigkeit innerhalb der USA wie auch in weiten Teilen der südlichen Hemisphäre geführt und kann nun innen- wie außenpolitisch nur mit Gewalt verteidigt werden, was sich sich unter anderem im Irakkrieg manifestierte.
Die 70er Jahre waren für die USA von Untergangsszenarien 
  gegenüber Japan und Europa gekennzeichnet. Diese "american malaise" 
  begann mit dem Vietnamkrieg und der militärischen Niederlage. Die hohen 
  Kriegskosten führten zu Inflation. Zudem verzeichneten die Vereinigten 
  Staaten 1971 zum ersten Mal seit 1891 ein Handelsdefizit. 
  Die ökonomischen Konsequenzen des Vietnamkriegs gaben den Anlass für 
  den Zusammenbruch des Bretton Woods- Systems, da die Goldkonvertibilität 
  des Dollar aufgehoben wurde. Die OPEC-Krise und die Ölpreiserhöhungen 
  von 1973 und 1979 verschärften die Krise; neben der Handelsbilanz fiel 
  nun auch die Leistungsbilanz negativ aus. Dies wiederum führte zu einem 
  Kursverfall des US-Dollar, den die Federal Reserve unter Paul Volcker mit einer 
  Hochzinspolitik bekämpfte, was die Schuldenkrise der Dritten Welt (mit) 
  auslöste. Ende der 70er Jahre befand sich die US-amerikanische Wirtschaft 
  schließlich in einer Stagflation, d.h. hohe Inflation bei stagnierendem 
  Wachstum.
Zu der militärischen Niederlage der USA und der ökonomischen "Malaise" kam 1979 die politische Niederlage, als 70 US-Amerikaner im Iran als Geiseln genommen wurden. 444 Tage lang wurde die Demütigung der Amerikaner allabendlich im Fernsehen vorgeführt. Diese politischen und ökonomischen Probleme haben die USA Ende der 70er Jahre psychologisch in eine nationale Krise gestürzt. Diese existenziell empfundene Schwäche prägt bis heute die amerikanische Politik und erklärt auch die dominierende Arroganz der Macht.
Es waren Ronald Reagan und Margaret Thatcher, die schließlich mit einer radikalen "freien Marktideologie" antraten und die keynesianische Wirtschaftsordnung samt Sozialstaat und Gewerkschaften zum Sündenbock der ökonomischen und politischen Probleme deklarierten. Zunächst handelte es sich bei diesem Systemwandel um eine innenpolitische Angelegenheit. Die globale Durchsetzung der Ideologie eines global entfesselten Weltmarktes wurde erst durch zwei historische Ereignisse möglich: erstens durch den Zusammenbruch des sowjetischen Imperiums; zum ersten Mal seit 1917 gab es keine Systemkonkurrenz mehr, so dass die USA ohne Gegenmacht global agieren konnten, zweitens durch die rasante Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien als Treibriemen der ökonomischen Globalisierung.
Die neoliberale Politik, die den Weltmarkt als globales 
  Disziplinierungsinstrument einsetzt, nahm auch Präsident Clinton nicht 
  zurück, sondern schrieb sie durch das North American Free Trade Agreement 
  (NAFTA) weiter fest. In den USA wird Globalisierung üblicherweise als Triumph 
  der amerikanischen liberalen Demokratie und des american way of life verstanden. 
  Dahinter verbirgt sich der Glaube sowohl an den außenpolitischen Sieg 
  über das sowjetische Modell als auch an den innenpolitischen Sieg über 
  die "amerikanische Malaise".
  Tatsächlich ist aber das Wirtschaftsmodell schon aufgrund seines permanenten 
  Handels- und Leistungsbilanzdefizits äußerst fragil. Unter dem Deckmantel 
  von Demokratie und Freiheit ist Bush jr. nun bei der Politik von Reagan 
  angekommen: Steuersenkungen für die Reichen bei gleichzeitiger Erhöhung 
  der Militärausgaben und Absenkung der Sozialleistungen.
  Diese Wirtschaftspolitik hat schon früher in die Sackgasse geführt. 
  Faktisch droht damit der liberale "Siegeszug" weltweit einen Trümmerhaufen 
  zu erzeugen, der außenpolitisch nur durch forcierte Kriege und innenpolitisch 
  durch das intensivere Wegsperren in Strafanstalten all jener zu "bewältigen" 
  ist, die sich diesem american way of life verweigern.
Zum ersten Mal sinkt die Zustimmung für den wirtschaftspolitischen Kurs der Bush-Regierung, vermelden US-amerikanische Meinungsumfragen. Und trotz des "erfolgreichen" Irakkriegs fällt die allgemeine Zustimmung zur Politik von Bush jr relativ geringer aus als bei Bush sen. nach dem ersten Irakkrieg. Wirtschaft und Regierung droht ein steiniger Weg.
Entscheidende Fragen an das amerikanische Volk
von William Greider
Wollen die Amerikaner tatsächlich die Einkommenssteuer und die ihrer zugrundeliegenden Idee, dass Vermögende mehr Steuern zahlen als weniger Wohlhabende, ersatzlos streichen?
Sind die Amerikaner tatsächlich der Meinung, dass Kapitaleinkünfte vollständig steuerbefreit werden sollten, während Arbeitseinkommen- zum Beispiel durch eine hohe landesweite Mehrwertsteuer- stärker belastet werden?
Wollen die Leute das Konzept der öffentlichen Schulen aufgeben- eine der herausragenden amerikanischen Errungenschaften?
Sollte Eigentumsrechten Vorrang vor Menschenrechten oder der gesellschaftlichen Notwendigkeit zum Naturschutz eingeräumt werden?