Thesen von Klaus Lang, Chefdenker IG-Metall
Die Gewerkschaften lehnen wesentliche Punkte der Agenda 2010 zunächst deshalb ab, weil sie den Bruch von Wahlversprechen bedeuten und Kanzlerzusagen widersprechen.
Wahlversprechen und Kanzlerzusagen sind nicht nur eine Parteiangelegenheit, sondern werden gegenüber Wählerinnen und Wählern gemacht. Unabhängig davon, dass wir die Agenda 2010 inhaltlich für falsch halten - es ist der Demokratie abträglich, wenn sich eine Regierung einfach über Versprechen und Zusagen hinwegsetzt.
Die Gewerkschaften lehnen wesentliche Punkte der Agenda 2010 vor allem deshalb ab, weil sie kein Pfad zu mehr Wachstum und Beschäftigung sowie zur Stabilisierung der sozialen Sicherungssysteme sind. Sie drohen für sich genommen zu noch mehr Arbeitslosigkeit und einer weiteren Destabilisierung der sozialen Sicherungssysteme zu führen
Die Agenda 2010 ist nicht Ausdruck von "Mut zur Veränderung", sondern Ergebnis von Mutlosigkeit und Anpassung. Denn in der Agenda 2010 ist kein einziger origineller Gedanke, der wirklich sozialdemokratischem Profil entspräche. Sie geht auf eine falsche Analyse der ökonomischen Ursachen für Wachstumsschwäche und Arbeitslosigkeit in Deutschland zurück. Die wichtigsten Elemente der falschen Analyse sind, dass Wachstum und Beschäftigung durch zu hohe Lohn- und Lohnnebenkosten, zu hohe Steuer- und Abgabenlasten und eine zu starre Regulierung des Arbeitsmarktes gebremst würden.
Die Strategie Schröders setzt darauf, dass sich im Rahmen eines weltwirtschaftlichen Aufschwungs das Wirtschaftswachstum auch in Deutschland belebt und die Arbeitslosigkeit abnimmt. Wenn aber- worauf momentan vieles hindeutet- diese Entwicklung ausbleibt und die Arbeitslosigkeit die 5-Millionen-Grenze überschreitet, heißt es, den einmal eingeschlagenen Weg selbstmörderisch fortzusetzen: Noch mehr Druck auf Arbeitslose, noch mehr Eigenbeteiligung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den sozialen Sicherungssystemen, noch weniger Kündigungsschutz und Einschränkungen der Tarifautonomie!
Die SPD hat es als Regierungspartei versäumt, der neoliberalen
Hegemonie eine eigene programmatische Handlungsgrundlage in Form eines erneuerten
Keynesianismus und einer europäischen Sozialstaatlichkeit gegenüberzustellen.
Deutschland braucht nicht nur ein staatliches Konjunkturprogramm, sondern ein
wirtschaftliches und gesellschaftliches Strukturprogramm für eine Zukunftsperspektive,
einen "Vertrag für die Zukunft" wie Bündnis 90/Die Grünen
ihr Wahlprogramm genannt haben. Die Agenda 2010 ist das sicher nicht, sondern
ein Pakt aus der Vergangenheit.
Ein sozial-ökologisches Investitionsprogramm in den
Bereichen Solarenergie, Windenergie, Wärmedämmung, Verkehrseffizienz,
Bildung, Gesundheit etc ist der erste Ansatz. Er wird heute weder in der SPD
noch bei Bündnis 90/Die Grünen diskutiert.
Reale Investitionen, auch zu Lasten einer mäßig höheren Staatsverschuldung
dürfen kein Tabu sein. Nicht nur die Zinsersparnisse sondern ein wesentlicher
teil der UMTS-Erlöse selbst hätte für Investitionen und Innovationen
verwendet werden müssen.