Lieber
Herr Bundespräsident,
Sie fordern, daß Deutschland mehr Verantwortung in der Welt übernimmt. Auch militärisch. Wissen Sie wirklich, wovon Sie reden? Ich bezweifle es und habe daher vier Vorschläge:
Ein Besuch im syrischen Aleppo oder in Homs. Damit Sie einmal persönlich erleben, was Krieg bedeutet.
Vier Wochen Patrouillenfahrt mit unseren Soldaten in afghanischen Kampfgebieten. Sie dürfen auch Ihre Kinder oder Enkel schicken.
Ein Besuch eines Krankenhauses in Pakistan, Somalia oder im Jemen – bei unschuldigen Opfern amerikanischer Drohnenangriffe.
Ein Besuch des deutschen Soldatenfriedhofes El Alamein in Ägypten. Dort liegen seit 70 Jahren 4800 deutsche Soldaten begraben. Manche waren erst 17. Kein Bundespräsident hat sie je besucht.
Nach unserem Grundgesetz haben Sie „dem Frieden zu dienen“. Angriffskriege sind nach Artikel 26 verfassungswidrig und strafbar. Krieg ist grundsätzlich nur zur Verteidigung zulässig. Sagen Sie jetzt nicht, unsere Sicherheit werde auch in Afrika verteidigt. So etwas ähnliches hatten wir schon mal. 100 000 Afghanen haben diesen Unsinn mit dem Leben bezahlt.
Wie
kommt es, daß ausgerechnet Sie als Bundespräsident nach all den
Kriegstragödien unseres Landes schon wieder deutsche Militäreinsätze
fordern? Es stimmt, wir müssen mehr Verantwortung in der Welt
übernehmen. Aber doch nicht für Kriege, sondern für den Frieden!
Als ehrlicher Makler. Das sollte unsere Rolle sein. Und auch Ihre.
Ihr
Jürgen Todenhöfer
PS:
Mir ist ein Präsident lieber, der sich auf dem Oktoberfest von
Freunden einladen läßt, als einer, der schon wieder deutsche
Soldaten ins Feuer schicken will. Von seinem sicheren Büro aus. Fast
bekomme ich Sehnsucht nach Wulff. Der wollte Menschen integrieren,
nicht erschlagen.
Offener
Brief an Joachim Gauck nach dessen Auftritt auf der Münchner
„Sicherheitskonferenz“