Ernährung unserer Hunde
Skeletterkrankungen: Fütterungsbedingte Ursachen und Empfehlungen zur Prophylaxe
-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Skeletterkrankungen:
Fütterungsbedingte
Ursachen und Empfehlungen zur Prophylaxe
Wachstums- und Entwicklungsstörungen des Skeletts von Hunden sind in der Praxis ein wichtiges Problem. Dementsprechend sind viele Hundehalter- insbesondere grosser Rassen- hinsichtlich der "richtigen" Ernährung ihres Hundes verunsichert und suchen tierärztlichen Rat. Da die Skelettentwicklung durch endogene (genetische) Faktoren und von aussen einwirkende Faktoren (Fütterung, Haltung) beeinflusst wird, ist bei Auftreten einer Erkrankung häufig eine eindeutige ätiologische Erklärung nicht möglich. Gleichwohl kommt der Ernährung in der Prävention grosse Bedeutung zu. Optimierte Fütterung und Haltung werden im Interesse des Einzeltieres angestrebt, können jedoch in gewissem Umfang negative Veranlagungen überspielen, so dass die Selektion erbgesunder Tiere letztendlich sogar erschwert wird. Optimierte Fütterung impliziert somit die Verpflichtung, verbesserte diagnostische und züchterische Verfahren anzustreben, um Skeletterkrankungen wie z.B. die Hüftgelenkdysplasie zu bekämpfen.
Ernährungsbedingte Einflüsse auf die Skelettentwicklung
Die Energieversorgung steuert als wesentlicher Faktor die Wachstumsgeschwindigkeit. Einer restriktiven Futterzuteilung kommt in der Fütterung grosswüchsiger Rassen besondere Bedeutung zu.
Die optimale Versorgung mit spezifischen Nährstoffen, insbesondere Eiweiss, Mengen- und Spurenelementen sowie Vitaminen muss gewährleistet sein. In der Ration soll weder Mangel noch Überschuss vorliegen. Insbesondere muss die Nährstoffaufnahme in Relation zur Energieaufnahme stimmen.
In die ersten 3-6 Lebensmonate
fällt die Hauptwachstumsphase von Junghunden, hier liegt das
grösste Risiko für die Entstehung von orthopädischen
Entwicklungsstörungen. Betroffen sind meist Junghunde
grosswüchsiger Rassen. Die Wachstumsgeschwindigkeit wird bei
einer ausgewogenen Futterzusammensetzung durch die Energieaufnahme
nachhaltig beeinflusst. Ein Junghund, der sein Futter zur freien
Verfügung angeboten bekommt, wächst schneller und erreicht
sein vorgegebenes Endgewicht früher als verhalten gefütterte
Hunde. Die Endgrösse unterscheidet sich jedoch nicht, da diese
genetisch vorgegeben ist. Die aus tierärztlicher Sicht
gefährlichste Konsequenz eines schnelleren Wachstums in den
ersten Lebensmonaten liegt in der Überlastung des noch nicht
ausgereiften Skeletts. Hier sind sowohl verstärkte statische
Druckbelastungen durch die auf einem gegebenen Knochenquerschnitt
lastende höhere Körpermasse anzuführen als auch die
kurzfristig einwirkenden viel höheren dynamischen
Hebelwirkungen, die sich bei Bewegungsvorgängen
(Beschleunigungs-
und Bremskräfte) ergeben. Dadurch wird die Entstehung von
Mikroverletzungen begünstigt, die sich insbesondere in
den empfindlichen Wachstumszonen oder auch im Bereich des
Gelenkknorpels manifestieren. Neben diesen biomechanischen Vorgängen
konnte experimentell gezeigt werden, dass eine hohe Energieaufnahme
nicht nur zu einer schnelleren Wachstumsintensität, sondern auch
zu hormonellen Umstellungen im Organismus von Junghunden führt.
Hier ergeben sich insbesondere Rückwirkungen auf die Sekretion
von Wachstumshormon, insulinähnlichem Wachstumsfaktor I
sowie auf die Schilddrüsenhormone, die wiederum für
die Steuerung und Koordination von Wachstumsvorgängen im Skelett
von grösster Bedeutung sind. Erhöhte Blutspiegel von
insulinähnlichem Wachstumsfaktor I können zu vermehrter
Aktivität der teilungsaktiven Knorpelzellen in der Wachstumszone
führen, sodass sich diese empfindliche Zone verbreitert. Die
Schilddrüsenhormone scheinen für die Umwandlung von
Knorpel- in Knochengewebe bedeutsam zu sein. Eine Fehlregulation
dieser im Normalzustand in feiner Abstimmung mit weiteren, im
Knorpelgewebe lokal gebildeten Faktoren wirkenden hormonellen
Mechanismen kann zur Entstehung von Entwicklungsstörungen im
Skelett beitragen, insbesondere die Anfälligkeit des
jugendlichen Skeletts für biomechanische Einwirkungen
verstärken. Histologische Untersuchungen von Knochen zeigen,
dass bei Energieüberversorgung die Gelenkknorpel weniger gut
durch knöchernes Gewebe abgestützt werden. Dadurch können
sich u.U. Knorpelschuppen ablösen und zum Krankheitsbild der
Osteochondrosis dissecans (OCD) führen.
Fütterungsbedingte Einflüsse wirken sich auch auf das
Hüftgelenk aus, wobei in verschiedenen Untersuchungen die
besondere Bedeutung der Energieaufnahme nachgewiesen wurde.
Überversorgung mit Energie und daraus resultierendes schnelles
bzw.gegenüber dem Rassendurchschnitt forciertes Wachstum können
bei entsprechend veranlagten Hunden nachgewiesenermaßen die HD
verschlimmern. Umgekehrt zeigte sich in verschiedenen Untersuchungen
ein günstiger Effekt einer moderaten Aufzuchtintensität,
sowohl bei Schäferhunden als auch bei Labradorretrievern.
Kohlenhydrate bzw. Fette als Energiequellen weisen kein spezifisches
Risiko auf, allerdings steht der Energiegehalts eines Futters und in
gewissem Umfang auch seine Schmackhaftigkeit in positiver Beziehung
zu seinem Fettgehalt.
Die Proteinversorgung scheint für die Skelettentwicklung weniger entscheidend zu sein. Ein Proteinmangel kann die Wachstumsvorgänge insgesamt beeinträchtigen, Junghunde verfetten und setzen weniger Muskulatur an. Andererseits scheint eine - in der Praxis fast regelmässig anzutreffende - Überversorgung mit Eiweiss keine Nachteile für die Knochen zu haben. Wachsende Doggen zeigen nach Verabreichungen von Futtermischungen mit Eiweissgehalten von 13, 21 bzw. 30 Prozent in einem Trockenfutter keine Unterschiede hinsichtlich der Frequenz orthopädischer Entwicklungsstörungen.
Neben der adäquaten
Energieversorgung kommt der Kalzium- und Phosphoraufnahme in
der Praxis ebenfalls grosse Bedeutung zu. Ein Mangel an Vitamin D,
Phosphor und/oder Kalzium führt zur Rachitis. Diese ist die
vermutlich bekannteste Skeletterkrankung, unter heutigen Bedingungen
allerdings kaum noch anzutreffen. Wichtiger ist der sekundäre
nutritive Hyperparathyreoidismus, eine Erkrankung, die sich infolge
eines Phosphorüberschusses im Futter entwickelt und durch eine
fortschreitende Entmineralisierung des Skeletts mit bindegewebigem
Umbau gekennzeichnet ist. Es entwickeln sich im Endstadium weiche,
biegsame Knochen. Die Erkrankung tritt auf, wenn Fleisch Getreide
bzw. Getreideprodukte ohne Ergänzung mit Mineralstoffen
gefüttert werden und das Kalzium/Phosphorverhältnis in der
Ration unter 1:1 liegt (Relativer Kalziummangel).
In den letzten
Jahren wurde zudem ein Krankheitsbild diskutiert, das infolge eines
erheblichen Kalziumüberschusses im Futter auftritt. Nach
vorliegenden experimentellen Befunden können
Entwicklungsstörungen des Skeletts bei grosswüchsigen
Hunden auftreten, wenn die Kalziumaufnahme den Bedarf erheblich, d.h.
um das 2,5 - 3-fache überschreitet. Eine derartige Situation
kann z.B. bei unkritischer Zufütterung von Futterkalk in der
Praxis eintreten. Die Erklärung ist einmal in einer durch
Kalziumüberdosierung gestörten Absorbtion anderer
Nährstoffe ( z.B. Phosphor, Zínk, Kupfer) zu sehen,
andererseits reagiert der Organismus auf eine hohe Kalziumanflutung
aus dem Darm mit verstärkter Ausschüttung von Calcitonin.
Dieses Hormon kann die Knorpelzellen negativ beeinflussen und
verhindert zudem den normalen Ab- und Umbau von Knochensubstanz durch
Knochenfresszellen (Osteoklasten). Dadurch wird die Fähigkeit
des Skeletts beeinträchtigt, auf wechselnde Beanspruchungen
während des Wachstums mit Umbau- und Anpassungsvorgängen zu
reagieren. In diesem Zusammenhang ist auch vor unkritischer
Überdosierung von Vitamin D zu warnen, wobei für den
wachsenden Hund ein Bedarf von rd.20 IE/kg Körpermasse zu
veranschlagen ist.
Weitere, aber unter praktischen Aspekten weniger bedeutsame fütterungsbedingte Ursachen für Skeletterkrankungen gehen von der Relation von Natrium und Kalium zu Chlorid, auch als Elektrolytverhältnis des Futter bezeichnet , aus. Bei einer Studie mit 167 Welpen verschiedener Rassen zeigte sich eine Tendenz zu vermehrter Gelenkinstabilität bei Aufnahme eines Futters mit einem weiten Elektrolyverhältnis, wobei Effekte auf die Zusammensetzung und Menge der Gelenkflüssigkeit verantwortlich sind. Der Kupfer-, Zink- und Manganaufnahme kann in Einzelfällen Bedeutung zukommen, allerdings sind Mangelsituationen unter üblicher Rationsgestaltung kaum anzutreffen, es sei denn, die Ration besteht aus einer Eigenmischung ohne entsprechende Mineralstoffergänzung. Bei extremer Kalziumüberversorgung kann allerdings die Absorbtion der Spurenelemente beeinträchtigt werden, sodass trotz scheinbar ausreichender Konzentrationen im Futter ein sekundärer Mangel entstehen kann.
Empfehlungen zur Prophylaxe
Für die Fütterung von Junghunden lassen sich folgende Empfehlungen geben:
Das Futter sollte insbesondere bei grossen Rassen nicht zur freien Verfügung gegeben werden. Eine verhaltene Fütterungsintensität ist nach heutigen Erkenntnissen optimal, der Junghund sollte selbstverständlich nicht "grossgehungert" werden.
Die Zusammensetzung des Futters sollte in Relation zum Energiegehalt ausgewogen sein. Nicht nur Mangel, sondern auch Überschuss kann bei einigen Nährstoffen problematisch sein. Eine ausgewogene Nährstoffversorgung ist sowohl mit kommerziellen Futtermischungen als auch durch Eigenmischungen möglich.
Bei Verwendung eines kommerziellen Alleinfutters für Junghunde sollte eine zusätzliche Gabe von Mineralstoffen oder Vitaminen auf jeden Fall unterbleiben, bei Gabe von Eigenmischungen sind vitaminierte Mineralfutter- fast immer- unerlässlich.
Erkrankungen, bei denen es
deutliche Hinweise dafür gibt, dass sie durch eine zu
reichhaltige Zufuhr von Energie und Kalzium mit verursacht werden
können, sind die Hüftgelenkdysplasie, der isolierte
Processus anconaeus, der frakturierte Processus coronoideus, die
hypertrophe Osteodystrophie, die Osteochondrosis dissecans, die
eosinophile Panostitis sowie Gliedmassenfehlstellungen.
Richtwerte
zur Zusammensetzung von Trocken- bzw. Feuchtfutter für wachsende
Hunde bei 1.6 bzw. 0.5 MJ umsetzbare Energie/ 100g.
In 100 g |
Trockenfutter |
Feuchtfutter |
|
Kalzium |
g |
0.8-1.2 |
0.3-0.4 |
Phosphor |
g |
0.6-1 |
0.2-0.4 |
Natrium |
g |
0.2-0.3 |
0.06-0.1 |
Kalium |
g |
0.2-0.3 |
0.06-0.07 |
Zink |
mg |
9-10 |
3 |
Selen |
µg |
11 |
3-4 |
Jod |
µg |
50-60 |
13-15 |
Vit.A |
IE |
500-600 |
160-200 |
Vit.D |
IE |
40-50 |
13-15 |
Vit.E |
mg |
4-5 |
1 |
Vit.B1 |
mg |
0.13-0.14 |
0.04 |
Empfehlungen zur Versorgung wachsender Hunde mit umsetzbarer Energie, verd. Rohprotein sowie Kalzium und Phosphor (pro kgKM/Tag)
Lebensmonat |
3.-4. |
5.-6. |
7.-12. |
ums.Energie MJ |
0.6-0.7 |
0.4-0.6 |
0.3-0.4 |
verd. Rohprotein g |
6-8 |
4-6 |
3-4 |
Kalzium mg |
355-520 |
240-305 |
130-145 |
Phosphor mg |
170-345 |
130-160 |
85-90 |
Auch Eigenmischungen können durchaus zusammengestellt werden, dass sie die Ansprüche des wachsenden Hundes in jeder Hinsicht erfüllen. Wichtig ist, dass keine einseitige Fütterung z.B. mit Schlachtabfällen oder Fleisch betrieben wird. Eine bedarfsgerecht zusammengesetzte Mischung besteht immer aus einer eiweissreichem Komponente, die mit kohlenhydrat- und fettreichen Futtermitteln kombiniert wird:
Beispiel I
49.5 % Blättermagen, 40 %
Nudeln, 3 % Pflanzenöl, 5 % Weizenkleie (Ballastst.)
1 %
vitaminisiertes Mineralfutter mit rd. 20 % Kalzium und 10 % Phosphor,
1 % Kalziumkarbonat , 0.5 Kalziumphosphat, gelegentl. Zugabe einer
Prise Jodsalz.
Die umsetzbare Energie (MJ/100g) beträgt 1.01,
vRP (g/100g) beträgt 12.1
Beispiel II
39 % Kopffleisch Rind, 30 %
Labmagen, 25 % gek. Kartoffeln, 2 % Pflanzenöl, 2.75 %
Weizenkleie (Ballaststoff), 1 % vitaminisierts Mineralfutter mit rd.
20 % Kalzium und 10 % Phosphor, Kalziumkarbonat 0.75 %,
Kalziumphosphat 0.5 %
Die umsetzbare Energie (MJ/100g) beträgt
0.85, vRP (g/100g) beträgt 10.5
Empfehlungen zur
Körpermassenentwicklung von Junghunden
(Angaben in % des
Adultgewichtes)
Körpermasse des ausgewachsenen Tieres |
2. Monat |
4. Monat |
5.-6. Monat |
Ende 6. Monat |
Ende 12. Monat |
5 kg |
24 |
52 |
70 |
80 |
100 |
10 kg |
19 |
48 |
65 |
75 |
95 |
20 kg |
16 |
45 |
61 |
70 |
95 |
35 kg |
13 |
41 |
57 |
65 |
88 |
60 kg |
11 |
34 |
50 |
60 |
80 |
Tierärztliches
Institut für angewandte Kleintiermedizin
Tierärztliche
Gemeinschaft für ambulante und klinische Therapien
Dirk
Schrader I dr. Steven-F. Schrader
I dr. Ifat Meshulam
I Rudolf-Philipp Schrader
I dr. Itamar Tsur
-Tierärzte-