zurück zur Übersicht – Hundeverordnung und die Folgen
Rede Angela Wierig
Sehr
geehrte Damen und Herren, liebe Hamburgerinnen und Hamburger,
geliebte Hunde!
Ich freue mich, Sie heute auf unserer
inzwischen schon vierten Demonstration begrüßen zu dürfen.
Ganz besonders freue ich mich über jeden einzelnen der so
zahlreich erschienenen Hunde. Schön, dass es Euch gibt und
hoffentlich bleibt Ihr uns noch lange erhalten.
Es ist unsere vierte Demo und hinter uns liegen unzählige Anhörungen und Diskussionen; unzählige Versuche den Damen und Herren der Politik wenigstens ein Mindestmaß an Sachverstand mit auf den Weg zu geben. Leider vergeblich. Ich bin maßlos enttäuscht von der Politik und ich bin den verantwortlichen Politikern dafür zutiefst zu Dank verpflichtet. War ich doch tatsächlich in der Fehlvorstellung verhaftet, Politik wolle etwas Gutes für die Menschen bewirken. Dachte ich doch wirklich, es ginge um das gedeihliche Zusammenleben von Menschen und um die Vision von einer besseren Welt. Nun, ich war blind und jetzt kann ich sehen. Kein Grund, irgendjemandem böse zu sein. Aber ein Grund aufzuwachen und zu bemerken, dass sich mein Schicksal nur ändern wird, wenn ich selbst es ändere. Deshalb bin ich hier.
Ab heute gelten neue Regeln in unserer Stadt. Heute ist das Hundegesetz – genauer: das Gesetz zur Neuregelung über das Halten und Führen von Hunden – in Kraft getreten.
Man
könnte meinen, das Datum sei in einem Anflug von
Selbsterkenntnis des Senats mit Bedacht gewählt. Dieses Gesetz
ist ein Scherz.
Ein böser Scherz. Und leider toternst
gemeint.
Ich möchte hier nur drei Beispiele nennen, an
denen die sinnentleerte Bösartigkeit des Gesetzes überdeutlich
zu Tage tritt.
Der Irrsinn der Rasselisten ist hinlänglich bekannt. Die Tatsache, dass Hunde der Rassen Pitbull, AmStaff, StaffBullterrier und Bullterrier nunmehr per Gesetz zu einem lebenslangem Siechtum mit Maulkorb und Leine verdammt sind, ist in einer Republik, die das „Staatsziel Tierschutz“ in der Verfassung hat, unerträglich. Diese Bestimmungen dienen dann auch nur einem einzigen Zweck: der Ausrottung dieser Rassen. Staatsrat Wersich hat das offen auf dem Symposium letzter Woche zugegeben.
Noch mal zur Erinnerung: eine gesteigerte Gefährlichkeit dieser Hunde wurde in keiner einzigen kynologischen Untersuchung nachgewiesen. Insbesondere der Bullterrier ist aufgrund seines besonders liebenswürdigen Wesens im Ausland ein ausgesprochen beliebter Therapiehund. In einer Welt, die immer ärmer an Arten wird, können wir es uns schlicht nicht leisten, ganze Rassen auszurotten. Die Welt wäre ärmer ohne sie. Der Senat schafft es aber, noch einen draufzusetzen. In seinem blinden Rassenhass – Entschuldigung, aber dies ist der einzig zutreffende Begriff – wurde dann noch schnell eine Bestimmung geschaffen, dass auch Kreuzungen zwischen diesen Hunde wie Reinrassige behandelt werden. In Zweifelsfällen hat der Halter nachzuweisen, dass der Hund keine Vorfahren der „unwiderlegbar gefährlichen“ Rassen hat. Da kommt also jemand von der Behörde und behauptet mal, das der von ihm kontrollierte Labrador einen mächtig kantigen Schädel hat. Kommt ja vor, beim Labrador. Nun beweisen Sie mal, dass der Ur-Opa des Hundes kein AmStaff war. Der Beweis wird Ihnen nicht gelingen. Nicht alle Hunde haben Zuchtbücher und Stammbäume. Und einen genetischen Marker für eine bestimmte Rasse gibt es einfach nicht. Es existiert keine Untersuchungsmethode, die eine unzweifelhafte Rassebestimmung zulässt. Uns wird eine Verpflichtung auferlegt, die wir von vornherein auf keinen Fall erfüllen können. Da fehlen einem die Worte. Mein Gordon Setter ist ab heute auf Diät. Angesichts seiner Fellzeichnung ist er ganz klar ein Rottweiler Mischling. Lassen Sie bloß Ihren Dobermann nicht zu kräftig und Ihren Rehpinscher nicht zu groß werden – alles Rottweiler. Der Gegenbeweis wird Ihnen nicht gelingen.
Ebenso wenig wird es Ihnen gelingen, Ihrem und noch ein lebenswertes Hundeleben unter diesem Gesetz zu ermöglichen. Hunde wollen rennen – die meisten jedenfalls. Wollen sich auslaufen, mit ihren Artgenossen toben und ihren hundlichen Angelegenheiten in Ruhe nachgehen können.
Die Politik will uns weismachen, diese Möglichkeiten seien künftig gegeben. Stichwort: „Gehorsamsprüfung“. Das Unwort des Jahres 2006.
Was bitte hat Gehorsam mit Gefährlichkeit zu tun? Im schlimmsten Fall viel: ein gebrochener Hund ist ein gefährlicher Hund. Und wenn wir uns die Beißvorfälle analytisch vor Augen führen, müssen wir feststellen, das beißen in Situationen geschieht, in denen entweder die Kommunikation zwischen Mensch und Hund nicht funktioniert hat oder der Hund mit der Situation schlicht überfordert ist.
Das hat aber nichts mit Gehorsam zu tun. Im Gegenteil: ein Hund, der gefordert ist, seine eigenen Lösungsstrategien zu entwickeln, wird im Zweifel souveräner sein als sein Artgenosse, der ohne Kommando nicht weiß, was er tun soll. Die Sinnhaftigkeit dieser Gehorsamsprüfung ist also mehr als zweifelhaft.
Und immer wenn Kinder nicht einsehen wollen, dass sie was sinnloses tun sollen, wird ihnen eine Belohnung versprochen. (Gib der Tante ein Küsschen – aber die Tante stinkt – kriegst auch Schokolade.) Der Senat behandelt uns mit diesem Gesetz wie unmündige Kinder – und unsere „Schokolade“ ist die „ungeheure Verbesserung“ unserer Situation. Wie Herr Dressel immer sagt: „Sie begreifen nicht, dass sie mit dem neuen Hundgesetz viel besser gestellt sind, als in der Vergangenheit“. Nein, Herr Dressel, das begreife ich nicht. Und ein Küsschen kriegen sie auch nicht. Diese sogenannte Besserstellung soll nämlich darin bestehen, dass ich den Hund mit Gehorsamsprüfung wieder von der Leine lassen darf. Aber nur da, wo er auch jetzt schon ohne Leine laufen darf, also an den Straßen. Auch mit Gehorsamsprüfung darf ich noch immer nicht in die Parkanlagen. Für die, die immer dachten, das sei dann erlaubt, hier mal zur Klarstellung: § 9 regelt die Befreiung von der Anleinpflicht und in § 10 steht wörtlich: Regelungen über das Verbot der Mitnahme von Hunden, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, bleiben unberührt. Dies gilt insbesondere für die Mitnahmeverbote nach der Verordnung zum Schutz der öffentlichen Grün- und Erholungsanlagen. Also grundsätzlich in allen Parkanlagen. Jetzt kommt die Ausnahme: wenn die zuständige Behörde – besser müsste es heißen: falls – die zuständige Behörde es erlaubt, dürfen Hunde auch auf Pfaden, Wegen und Rasenflächen ohne Leine geführt werden, wenn – falls – die Behörde diese Wege, Pfade und Rasenflächen entsprechend gekennzeichnet hat.
So eine Kennzeichnung habe ich noch nirgendwo gesehen. Es ist auch äußerst zweifelhaft, ob überhaupt irgendeine Behörde solche Wege und Flächen kennzeichnen wird. Nach unseren bisherigen Erfahrungen mit der Freigabe von Freilaufflächen wird das eher nicht der Fall sein. Wir haben im übrigen auch keinen Rechtsanspruch auf solche Freigaben; das hat das Gesetz wohlweislich gleich mitgeregelt.
Und
selbst wenn – wider Erwarten – solche Wege und Flächen
freigegeben werden, so darf der Hund keinesfalls in das Unterholz
oder an die Uferzone. Wie man einem Hund klarmachen soll, dass er am
Rasenrand scharf zu bremsen hat und keinesfalls eine Pfote in
das
Unterholz setzen darf, ist mir ein Rätsel.
Und damit komme ich zu der dritten Riesensauerei – den Repressionen. Ich habe das Gefühl, es geht nicht um meinen Hund, sondern um Bin Laden, den ich an der Leine habe.
Der Vergleich drängt sich daher auf, da wir in Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg eine Verfassung erarbeitet hatten, die ihresgleichen suchte. Erst im Zuge der Terroristenprozesse wurden die bürgerlichen Rechte empfindlich eingeschränkt. Die Unverletzlichkeit der Wohnung war nicht mehr so unverletzlich, das Telefon- und Briefgeheimnis war nicht mehr so geheim. Im großen und ganzen wurde das von der Bevölkerung so hingenommen – es ging schließlich um Terrorismusbekämpfung.
Hier geht es aber nur um Hunde. Um Hunde, von denen konkret keine Gefahr ausgeht. Trotzdem hat das neue Gesetz drakonische Maßnamen bereitgestellt, um die Hundehalter für jeden Blödsinn gefügig zu machen. Zentraler Paragraph ist § 23. Der regelt die Anordnungsbefugnisse der zuständigen Behörde. Dort heißt es wörtlich: „Die zuständige Behörde kann das Halten eines Hundes untersagen, wenn gegen §§ 7, 8, 12 oder 13 verstoßen wird. Die genannten §§ beziehen sich auf die Aufsichtspflichten, die Anleinpflichten die Haftpflichtversicherung und die Anzeige- und Mitteilungspflichten. Im Klartext: die zuständige Behörde kann das Halten des Hundes untersagen, wenn der Halter den Hund ohne Leine führt. Das wird sogar im Gesetzestext noch mal wiederholt: „des weiteren kann die zuständige Behörde das Halten eines Hundes untersagen, wenn gegen Mitnahmeverbote verstoßen wird; insbesondere gegen das Mitnahmeverbot aus der Verordnung zum Schutz der öffentlichen Grün- und Erholungsanlagen. Mal ehrlich: War Ihnen das bewusst? Die Behörde kann Ihnen die Hundehaltung verbieten, weil Sie irrigerweise annehmen – Sie haben ja die Gehorsamsprüfung brav absolviert und bestanden – Sie dürften Ihren Hund jetzt im Park ohne Leine laufen lassen. Bei der Diskussion über diesen § hatte ich bemängelt, dass auch so einfache Verstöße so radikal geahndet werden. Ich war der Ansicht, solche Verstöße müssten zumindest „grob“ oder „beharrlich“ sein. Für „grobe“ und „beharrliche“ Verstöße sieht das Gesetz hingegen vor, dass generell die Haltung von Hunden untersagt wird.
Der Vollständigkeit halber kann de Behörde natürlich auch die Befreiung von der Anleinpflicht widerrufen, wenn der Hund ohne Leine angetroffen wird, wo dies nicht erlaubt ist.
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Pläne von CDU und SPD vorsahen, dass Hunde mit Gehorsamsprüfung sich wieder frei in allen Grün- und Erholungsanlagen bewegen dürfen. Das haben die Grünen verhindert. Mit der blanken Erpressung, dass sie sonst das gesamte Gesetz nicht akzeptieren würden. Vielen Dank, Herr Maaß, vielen lieben Dank an die Grüne Fraktion. Es ist übrigens auch ein grüner Bezirksvorsitzender gewesen, der sich dazu hat hinreißen lassen zu behaupten, die Hamburger Hundehalter hätten kein Problem; sie seien das Problem.
Mein persönliches Fazit ist, dass die Grünen künftig eine Stammwählerin verloren haben. Wem nicht vorhandene Bodenbrüter wichtige sind, als die Hunde dieser Stadt, der soll sich künftig doch von den Bodenbrütern in die Parlamente wählen lassen. Tatsache ist, dass dieses neue Hundegesetz für alle Seiten schwere Herausforderungen bereit hält.
Wir werden zu gläsernen Bürgern, bevormundet, abgezockt und im schlimmsten Fall mit dem Verlust unserer Hunde abgestraft.
Dieser maßlosen Arroganz der Macht werde ich nicht kampflos weichen.
Die Politiker fordern uns immer wieder auf, unsere Emotionen zu zügeln. Hier geht es schließlich um Politik und nicht um die in 20.000 Jahren gewachsene Beziehung zwischen Mensch und Hund. Die – das sei hier mal erwähnt – in unserer kalten und vom Tier entfremdeten Welt einfach magische Momente hat und für viele Menschen existentiell ist.
Nein, hier geht es um Politik. Dann soll das auch so sein.
In der Staatspolitik gibt es ein ungeschriebenes Gesetz: auf eine unfreundliche Aktion erfolgt eine mindestens ebenso unfreundliche Reaktion. Dafür gibt es in der Politologie auch einen Fachbegriff, aber der fällt mir momentan nicht ein. Die zu Grunde liegende Idee gefällt mir allerdings ausgesprochen gut!
Wir sind verpflichtet, unsere Hunde beim zentralen Register anzumelden. Dafür gibt es eine Übergangsfrist bis zum 31.12.2006. Ich möchte Sie sehr herzlich bitten, sich schon mal den 27. und 28. Dezember vorzumerken. Das ist ein Mittwoch und ein Donnerstag und absolut in der Frist. Die zuständigen Behörden werden viel Freude haben, sämtliche Hunde Hamburgs innerhalb von zwei Tagen registrieren zu sollen.
Und ich bitte Sie inständig: Boykottieren Sie die Gehorsamsprüfung ! Wenn und falls diese Stadt uns tatsächlich Wanderwege und Rasenflächen in ausreichender Größe zur Verfügung stellt oder die Parkanlagen wieder freigibt, bin ich die erste, die bereit ist, dafür einen Gegenleistung zu erbringen.
Ich bin aber erst mal genug in Vorleistung getreten: ich habe alles getan, um einen netten und gut sozialisierten Hund zu haben. Ich werde auf keine Fall eine Gehorsamsprüfung ableisten, um meinen Hund auf Bürgersteigen an Straßen entlang trotten zu lassen. Das ist keine artgerechte Haltung und kein geeigneter Auslauf für einen Hund. Bitte fallen Sie auf die Mogelpackung „Befreiung von der Anleinpflicht“ nicht herein. Sie füllen nur die Kassen der Hundeschulen und bekommen keine Gegenleistung.
Schließlich
– das sollte inzwischen jeder mitbekommen haben – geht es
dem Senat weder um das Wohl der Bürger, noch um das der
Hunde.
Es geht dem Senat um die Gehorsamsprüfung gegenüber
der BILD Zeitung. Die fordert energisches Handeln, und das hat man
jetzt getan. Der Senat will sich vor jeder Verantwortung drücken
(die Beißvorfälle werden mit diesem Gesetz mehr werden –
nicht weniger!) und wir sollen die Zeche zahlen. Eventuell haben wir
auch Glück und die Bild lässt Ruhe einkehren. Wie ich der
TAZ vor einiger Zeit entnommen habe, soll sich Herr Diekmann eine
Penisverlängerung unterzogen haben. Insofern hege ich die
Hoffnung, dass mit der sexuellen Entspannung auch eine entspanntere
Sicht der Dinge im allgemeinen einhergeht und der Mann mal locker
wird.
Glücklicherweise sind wir Betroffenen nicht alleine. Hunde haben in Hamburg eine Lobby, machen Sie mit; machen Sie uns noch stärker, als wir ohnehin schon sind. Wir werden gegen dieses Gesetz klagen und ich bin mir sicher, dass da Bundesverfassungsgericht seine Verantwortung gegenüber den Bürgern und den Rechten dieser Bürger ernster nimmt, als dieser menschenverachtende und arrogante Senat.
Es ist noch nichts verloren in unserer schönen Stadt. Wie Konrad Adenauer so schön zu sagen pflegte: „Leg Dich nicht mit Hundehaltern an – Du kannst nur verlieren“.
Wir werden uns wehren – wir werden kämpfen und wir werden gewinnen.
Ich habe fertig.
Hamburg,
01.04.2006
Angela für Seymour
Karin und die ig