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Finanzskandal im Hamburger Tierschutzverein – Politiker und Behörden sahen jahrelang weg
Der Chef des Hamburger
Tierschutzvereins wird verdächtigt, den HTV und sein Tierheim um
mindestens 500.000 Euro geschädigt zu haben. Politiker, Behörden
und Medien haben durch jahrelanges Wegsehen den Skandal möglich
gemacht.
Es war die größte Polizeiaktion, die
jemals gegen einen deutschen Tierschutzverein stattfand: Am 2. August
rückten 150 Polizisten und Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft
aus, um neun Objekte zu durchsuchen und Beweismittel zu
beschlagnahmen. Betroffen waren neben dem Tierheim auch mehrere
Immobilien, die einmal dem HTV gehörten und – so der
Verdacht – weit unter Wert verkauft wurden. Durchsucht wurde
auch die Privatwohnung von Wolfgang Poggendorf, der in Personalunion
Geschäftsführer und Vorsitzender der HTV ist. Ebenso die
Wohnungen der zweiten Vorsitzenden und des Schatzmeisters, gegen die
wegen Mittäterschaft ermittelt wird.
Seit das „Hamburger
Abendblatt“ am 19. Juli den Stein ins Rollen brachte, ist die
„Affäre Poggendorf“ fast täglich ein Topthema
der Lokalmedien. Wie das „Abendblatt“ enthüllte,
hatte der HTV seinem Chef eine Eigentumswohnung in bester Lage auf
Sylt für 110.000 Euro verkauft, obwohl die Immobilie nach
Schätzungen seriöser Makler 190.000 bis 240.000 Euro wert
ist. Ein Tierfreund hatte dem Verein die Wohnung vermacht.
Erbschaften und Spenden sind neben Zahlungen der Stadt die wichtigste
Einnahmequelle des HTV zur Deckung der Kosten des
Tierheims.
Inzwischen wurde bekannt, dass der HTV auch andere
geerbte Immobilien vermutlich weit unter Wert verkauft hat – an
Mitarbeiter des Tierheims oder Vereinsmitglieder. Ein Fall, der
mittlerweile strafrechtlich verjährt ist, wurde schon vor sechs
Jahren von einem Journalisten der „Bild“ problematisiert,
ohne dass offenbar Justiz und Behörden daraus Konsequenzen
zogen. Auch die Chefredaktion des Blattes ließ damals das Thema
gleich wieder in der Versenkung verschwinden. Der HTV hatte 1998 zwei
Häuser in der Herbertstraße auf St. Pauli geerbt. Die
Wohnungen in dieser Straße werden traditionell ausschließlich
zur Prostitution genutzt und haben einen entsprechend hohen Wert. Der
HTV vermietete die Häuser zunächst zwei Jahre lang an eine
Verwaltungsgesellschaft zu einer lächerlich geringen Miete und
verkaufte sie im Jahr 2001 weit unter Wert: Nach Recherchen des NDR
lag der Preis bei umgerechnet 880.000 Euro, obwohl die Immobilien gut
1,5 Millionen Euro wert waren.
Seit Poggendorf 1995 unter
zwielichtigen Umständen als HTV-Geschäftsführer
eingestellt wurde, gilt er innerhalb und außerhalb des Vereins
als „umstritten“. Der geistig eher schlichte Mann, der
sich öffentlich damit brüstet, „ein Machtmensch“
zu sein, regiert Tierheim und Verein mit despotischen Methoden. Aber
Behörden und Politiker hielten eisern zu Poggendorf. Das
Tierheim erhält heute von der Stadt fünf bis sechs Mal so
viel Geld wie 1998, obwohl die ausgewiesenen Kosten nur um etwa 15
Prozent gewachsen sind. Wurden damals weniger als 10 Prozent der
Kosten von der Stadt getragen, so sind es jetzt über 25 Prozent.
Poggendorf ist den Verantwortlichen besonders durch seine Mithilfe
bei der Durchsetzung der „Kampfhunde“Verordnung in den
Jahren 2000-2002 ans Herz gewachsen. Hunderte von Tieren wurden
damals nur aufgrund ihrer Rasse getötet.
Nicht alle
Politiker gingen freilich so weit wie die
CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Michael Fuchs und Karl-Heinz
Warnholz, die Poggendorf vor zwei Jahren für das
Bundesverdienstkreuz vorschlugen, zum Glück vergeblich. Fuchs,
„Tierschutzexperte“ seiner Fraktion, hat mit Poggendorf
lange freundschaftlich zusammengearbeitet. Warnholz trat mehrfach als
Makler bei Immobiliengeschäften des HTV in Erscheinung. Für
den Verkauf eines Hofes im Jahr 2003 soll er 36.600 Euro Courtage
kassiert haben. Peinlich: Erstens gehört das Objekt zu denen,
die mutmaßlich weit unter Wert verkauft wurden. Und zweitens
wurde Warnholz angeblich bei der Aktion gar nicht wirklich tätig,
sondern bekam das Geschäft von Poggendorf aus Gefälligkeit
zugeschanzt.
Knut
Mellenthin
Junge Welt, 6. August 2007