Noch
schlimmer als erwartet
Kommentar von Ines Pohl über Benedikts Rücktritt
Gut, dass dieser Papst weg ist. Denn nichts ist gut. Nicht im Staate Vatikan und schon gar nicht im Rest der Weltkirche. Pabst Benedikt XVI. ist es in seinem fast achtjährigen Pontifikat gelungen, die gegen den Katholen aus der deutschen Provinz gehegten Befürchtungen sogar zu übertreffen. An der Aufarbeitung der zahllosen sexuellen Gewaltverbrechen innerhalb seiner eigenen Institution zeigte der Stellvertreter Gottes so wenig Interesse wie an einer Auseinandersetzung mit der faschistoiden Organisation Opus Dei.
Ob beim Thema Frauen, Homosexuelle, Vergewaltigung, also insgesamt beim Thema Menschenrechte: Reaktionärer als dieser Papst kann man sich kaum äußern. Eine gern zitierte Einschätzung zu Aids: Die Verteilung von Kondomen sei nicht die Lösung im Kampf gegen die Immunschwäche. „Im Gegenteil, es vergrößert das Problem“, das sagte er auf seiner Reise nach Kamerun.
Auch der Besuch des katholischen Kirchenoberhauptes in Luthers Heimat zementierte die Kirchenspaltung und zerstörte Hoffnungen auf eine längst überfällige Annäherung der beiden großen christlichen Kirchen. Eine Annäherung, die an der Basis schon lange und über alle Ge- und Verbote hinweg betrieben wird.
Gut also, dass dieser Mann weg ist. Trotzdem: Sehr offensichtlich ist die katholische Kirche ein Ort, der die Bedürfnisse zahlreicher Menschen befriedigt, an dem jene, denen die Bewahrung der Schöpfung auch ein spirituelles Anliegen ist, eine verfasste Heimat finden. Ein Ort, an dem das katholische Verständnis eines sozialen Miteinanders oder einer kritischen Auseinandersetzung mit Kriegen mehr ist als nur gute Tradition. Hier finden sich viele Menschen, die Gemeinschaft eben nicht nur predigen, sondern sich für ein christliches Miteinander ganz real und wahrhaftig einsetzen.
Wie aber passt da ein solcher Papst ins Bild? Würde die absolute Autorität, die hinterfragbare, unfehlbare Macht auch funktionieren, wenn der Papst kein Weißer wäre? Haben die Verantwortlichen deshalb bis jetzt gezögert, beispielsweise einen Schwarzen zu berufen, weil sie Angst haben, dass es dann größere Absatzbewegungen geben könnte vom totalitär verfassten Herrschaftsanspruch? Und was sagt all das aus auch über die ungläubigen Papstfans im jubelnden „Wir-sind-Papst“-Deutschland?
Was also autorisiert der Papst, warum ist er wichtiger und richtiger als alles andere, und warum ist dieses totalitäre männliche Selbstverständnis immer noch nicht herausgefallen aus der Welt da draußen, der Welt, in der wir leben?
Es wäre gut, wenn Papst Benedikt XVI. der letzte seiner Art war. Und wenn die Geschichtsbücher bald schreiben können: „Dieser Papst-Rücktritt läutete eine neue Ära ein. Die katholische Kirche hatte verstanden, dass sie so nicht weitermachen kann.“
Ines Pohl ist seit 2009 Chefredakteurin der Taz.