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Die Winterwolke

Von Niels Kadritzke


Athener erleben die Rückkehr eines berüchtigten Phänomens, das ihnen die 1990er Jahre verleidet hatte. Die „Wolke“ (Griechisch : néfos) war eine gelbbraune Dunstglocke, die an windarmen Sommertagen auf der Betonlandschaft lastete. Sie war ein Produkt der rasanten Automobilisierung im Vor-Katalysator-Zeitalter.

Die graue Wolke ist ein Phänomen des Winters und stammt aus den Kaminen der Privathäuser und Etagenwohnungen. Wegen der ins Unerschwingliche gesteigerten Heizölpreise verbrennen die Athener alles mögliche Holz - aufgesammelte Äste, abgeschleppte Paletten, alte und womöglich lackierte Möbelteile – im Kamin oder in jenen klassischen Bulleröfen, die aus dem städtischen Leben längst verschwunden waren.

Solche Heizmethoden sind in urbanen Zonen mit extrem hoher Bevölkerungskonzentration der reine Wahnsinn. Das zeigt sich in der Belastung mit gesundheitsgefährdenden Schwebstoffen, die alle Rekorde bricht. Sie stieg in kalten Januarnächten bis auf 300 Mikrogramm pro Kubikmeter, die offizielle Alarmschwelle liegt bei 25 Mikrogramm pro Kubikmeter.

Aus Ta Nea, 12 Januar 2013-02-10

Ein gemeingefährliches Umweltproblem ist zum Symbol der Krise geworden. Und zum Beleg für das notorische Versagen des griechischen Staats. Denn der Athener Wintersmog steht am Ende einer Kausalkette, die wie folgt aussieht:


Resultat: Die Kapitulation der Regierung vor einer Mafia mit hoher krimineller Energie und großem politischen Erpressungspotential geht zu Lasten der Bevölkerung, der trotz ständig schrumpfender Einkommen ausgerechnet zu Beginn des Winters drastisch erhöhte Heizölkosten zugemutet wurden. Dieses Versagen des Staats resultiert aus einer Mischung von Unfähigkeit und komplizenhafter Untätigkeit.

Und das Versagen geht weiter: Die Regierung versäumt es, die Gesellschaft darüber aufzuklären, dass die „alternativen“ Heizmethoden nicht nur hochgefährlich, sondern letztlich teurer als das verteuerte Heizöl sind.

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