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Der Zorn des alten Kämpen
Manolis Glezos ruft zum Widerstand auf

Von Thomas Schmidt

ATHEN. Am Morgen des 31.Mai 1941 rieben sich die Athener die Augen. Die weithin sichtbare Hakenkreuzfahne, die seit einem Monat über der griechischen Altstadt auf der Akropolis geflattert hatte, war weg. Der damals 18 Jahre alte Manolis Glezos war zusammen mit seinem Freund Apostolos Sandas nachts heimlich auf den Tempelberg gestiegen. Die beiden hatten das verhasste Symbol der deutschen Besatzer heruntergerissen und waren unerkannt in die Stadt entkommen. Die Botschaft der beiden Helden war simpel: Widerstand ist möglich. Ihre Tat wurde zum Fanal.

Heute ist Glezos 89 Jahre alt, aber noch immer trommelt er zum Widerstand. Während drinnen im alten Königspalast am Sonntag das griechische Parlament tagte, wurde draußen auf dem Syntagma-Platz wieder demonstriert. Am Freitag und Samstag hatten die Gewerkschaften zum Generalstreik und zu Kundgebungen aufgerufen. Für den Protest am Sonntag hatten zwei alte Herren mobilisiert: Manolis Glezos und Mikis Theodorakis.

Glezos, mit seinem weißen Schnurrbart und seiner weißen Mähne eine imposante Erscheinung, kann auf ein recht abenteuerliches Leben zurückblicken. Schon als 17-Jähriger hatte er eine antifaschistische Schülergruppe gegründet, die sich gegen Mussolinis Soldaten richtete, die im Herbst 1940 in Griechenland eingefallen waren. Sie wandten sich aber auch gegen den griechischen Diktator Ioannis Metaxas, der die Italiener schon bald vertrieb. Drei Monate nach dessen Tod nahmen am 27. April 1941 deutsche Truppen Athen ein und hissten die Hakenkreuzfahne auf der Akropolis.

Glezos konnte nach seiner Heldentat entkommen und wurde in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Doch schon 1942 fassten ihn die Deutschen. Er wurde gefoltert, kam schon nach einem Monat frei, wurde aber im selben Jahr noch von italienischen Besatzungstruppen verhaftet, die unter dem Schutz der Deutschen erneut in Griechenland eingefallen waren. Sie hielten ihn drei Monate gefangen. Ein drittes Mal wurde Glezos von griechischen Kollaborateuren festgenommen. Nach sieben Monaten Haft gelang ihm die Flucht.Arm in Arm mit Demonstranten

Während des griechischen Bürgerkriegs (1946-1949) war Glezos Herausgeber der kommunistischen Zeitung „Rizospastis“, wurde erneut festgenommen und zum Tode verurteilt. Aufgrund internationaler Proteste wurde das Urteil in lebenslange Haftstrafe umgewandelt. Nachdem er auf der Liste der Demokratischen Linken 1951 ins Parlament gewählt wurde, kam er 1954 frei, wurde 1958 im Kalten Krieg als Spion aber wieder in Haft genommen – bis 1962. Zum sechsten Mal in seinem Leben kam Glezos unmittelbar nach dem Militärputsch der griechischen Obristen 1967 in Haft. Wie viele linke Politiker wurde er nachts aus dem Bett geholt. Nach vier Jahren Haft und Verbannung kam er schließlich frei. Nach dem Ende der Militärdiktatur baute er die Partei der Demokratischen Linken wieder auf, wurde in den 80er Jahren auf der Liste der sozialistischen Pasok ins Parlament gewählt und führte bei den Parlamentswahlen 2000 das linksradikale Bündnis Synaspismos an.

Seit zwei Jahren, seit den Griechen ein radikales Sparprogramm abgefordert wird, das das Land in eine tiefe Rezession getrieben hat, protestieren bei regelmäßig wiederkehrenden Generalstreiks jeweils Zehntausende auf den Straßen, und meist läuft auch der alte Glezos, inzwischen Autor von sechs Sachbüchern, Arm in Arm mit den Demonstranten.

Im Herbst des vergangenen Jahres hat er sich mit einem anderen Kämpen zusammengetan, mit dem drei Jahre jüngeren Mikis Theodorakis. Der weltberühmte Komponist, hierzulande vor allem bekannt wegen seiner Musik zu Costa-Gavra´s Film „Z“, war ebenfalls im Widerstand gegen die deutschen und italienischen Besatzungstruppen tätig. Wie Glezos wurde er im Bürgerkrieg als Kommunist verhaftet und wie jener kam er unter der Diktatur der Obristen erneut in Haft. Zum großen Entsetzen der Linken kandidierte er allerdings 1989 als Parteiloser auf der Liste der konservativen Nea Dimokratia.

In einem „Appell für die Rettung der Völker Europas“ riefen Glezos und Theodorakis im vergangenen Oktober zum Kampf gegen das „Imperium des Geldes“ auf. Die Troika von EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds, warnen die beiden, benutze Griechenland als Versuchskaninchen, um die Bevölkerung auf Sozialdarvinismus zu testen“. Letztlich gehe es um die „geplante Zerstörung der großen, global bedeutenden politischen Errungenschaften der europäischen Völker“. Ihre Argumentation erinnert stark an „Empört euch!“, das Manifest des alten französischen Widerstandskämpfers Stéphane Hessel.

Für die Demonstration am Sonntagabend auf dem Syntagma-Platz waren Glezos und Theodorakis als Hauptredner angekündigt.Erschienen in der FR, 13.Februar 2012

Der Zorn des alten Kämpen


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