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Über deutsche Soldaten in Afghanistan


Da sitzen also die deutschen Soldaten am Rande der „Tartarenwüste“, und wie die Helden des Romans von Dino Buzzati suchen sie bei sinkender Sonne den staubigen Horizont ab, ob dort nicht, wie aus dem Nichts auftauchend, die Horden der „Barbaren“ zum überraschenden und unwiderstehbaren Ansturm ausholen.
Ich empfinde echte Sympathie für diese jungen Leute, die durch eine unverantwortliche Regierungspolitik, durch die Unterwürfigkeit der deutschen Parlamentarier unter einen befreundeten aber fehlgeleiteten Hegemon in eine archaische, grausame Gesellschaft Zentralasiens verschlagen wurden, der sie – aus einer Wohlstandsgesellschaft, aus einer Stimmung sexueller Permissivität, aus einem seit sechzig Jahren andauernden Friedenszustand kommend – ratlos und in psychischer Verwirrung gegenüberstehen.

Wer wird in Berlin jemals auf einer öffentlichen Tribüne aussprechen, daß die Unterordnung der NATO unter amerikanischen Oberbefehl mit der Selbstachtung der Europäer auf Dauer nicht vereinbar ist?

Gemessen an den Provinzen des Südens und des Ostens ist die den Deutschen zugewiesene Nordregion von ernsthaften Kampfhandlungen bisher verschont geblieben. In Kandahar, Paktia und Kunar sieht das ganz anders aus. Da stehen Briten, Kandier und Holländer straff organisierten Aufstandsgruppen gegenüber, die man oberflächlich mit dem Sammelbegriff „Taleban“ bezeichnet.
Der derzeitige NATO-Oberbefehlshaber für ganz Afghanistan, der britische Generalleutnant David Richards, der die Rebellen am Hindukusch in seltsamer Verblendung mit den Mitteln bekämpfen wollte, die sich in den fünfziger Jahren bei der Niederwerfung des kommunistischen Aufstands in Malaya bewährten, hat inzwischen eingestanden, daß seine Paratroopers in der Provinz Helmand in die härtesten Kämpfe seit Korea und sogar seit dem Zweiten Weltkrieg verwickelt wurden.

Weder der Krieg im Irak noch der Feldzug in Afghanistan können von der westlichen Allianz gewonnen werden. Eine solche „no-win“ – Situation im asymmetrischen Krieg kommt jedoch einer Niederlage gleich. Aus dem Präzedenzfall des sowjetischen Okkupation, die unter Aufwand von mehr als hunderttausend Soldaten und tausenden Panzern fast zehn Jahre andauerte und mit einem blamablen Rückzug endete, hätte man lernen sollen.
Deutsche Parlamentarier sollten sich die unzähligen Wracks russischer Panzer ansehen, die in den Schluchten des Hindukusch verstreut liegen.

Peter Scholl-Latour