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Freier Markt und Handel
Der Topmanager des riesigen Getreidekonzerns Archer Daniels Midland in Decatur (Illinois), Dwayne Andreas, sagt:
„Kein einziges Körnchen von irgend etwas auf der ganzen Welt wird auf dem freien Markt verkauft. Kein einziges. Einen freien Markt gibt es überhaupt nur in den Reden der Politiker.“
Normalerweise
drücken Manager sich etwas vorsichtiger aus. Über so etwas
reden sie normalerweise nicht in der Öffentlichkeit. Aber es
stimmt natürlich. Nehmen wir einmal den sogenannten „Handel“
- das ist das dramatischste Beispiel.
Ungefähr 50 Prozent
des US-Außenhandels spielen sich in Wirklichkeit innerhalb von
Großkonzernen ab. Wenn zum Beispiel Ford ein Autoteil von
Indiana nach Illinois schickt, nennt man das nicht Handel.
Aber wenn dasselbe Teil von Illinois nach Nordmexiko geschickt
wird, ist es auf einmal „Handel“: Export, wenn es über
die Grenze geht, und Import, wenn es wieder zurückkommt.
Aber das Ganze wird von Ford oder der jeweiligen Firma zentral
gesteuert. Dabei geht es darum, den Markt zu schwächen, nämlich
die billigsten Arbeitskräfte auszubeuten, Umweltvorschriften zu
umgehen und Steuervorteile zu maximieren.
So sehen also 50
Prozent des US-Handels aus. In Japan ist es ähnlich, für
England liegen die Zahlen sogar noch höher. Wenn also von
Wachstum im Welthandel die Rede ist, kann man das größtenteils
nicht ernst nehmen. Was in der Tat wächst, sind die
komplizierten Interaktionen zentral gesteuerter Institutionen, die
mittlerweile an die Größe der ehemaligen
Kommandowirtschaften des Ostens herankommen. Im Innern dieser
Institutionen gibt es keinen freien Handel, und zwischen ihnen
bestehen diverse oligopolistische Beziehungen. Aber wenn dieser
Manager sagt, es gebe überhaupt keinen freien Handel, stimme ich
nicht mit ihm überein.
Für siebenjährige Kinder
und die Armen in der Dritten Welt gilt das Prinzip des „freien
Handels“ sehr wohl. Sie müssen sich den „Kräften
des Marktes“ ungeschützt stellen.
In England kam
kürzlich eine Studie von zwei Wirtschaftswissenschaftlern
heraus, die die 100 ranghöchsten transnationalen Firmen auf der
Fortune-Liste untersucht haben. Eines der Ergebnisse der
Studie war, daß jede einzelne Firma von der Wirtschaftspolitik
ihres Stammlandes profitiert hatte. In der Studie heißt es, daß
mindestens zwanzig dieser Firmen ihre Verluste nicht verkraftet
hätten, wenn sie nicht vom Staat übernommen oder
subventioniert worden wären. Darüber hinaus sind die
meisten Firmen sehr stark vom inneren Markt abhängig. Einer
dieser Konzerne ist Newt Gingrichs großer Favorit
Lockheed.
Lockheed wurde Anfang der siebziger Jahre durch
einen staatlich subventionierten Zweimilliardenkredit vor dem
sicheren Untergang gerettet. Da sehen wir, was freier Handel in der
Praxis bedeutet. Die großen multinationalen Firmen müssen
sich also immer auf den Staat, sprich, den Steuerzahler ihres
Stammlandes stützen, um sich auf dem Markt behaupten zu können.
Sie sind nicht bereit, sich den Risiken eines freien Marktes zu
stellen.