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Rüstungswettlauf und militärisch-industrieller Komplex
Der
Rüstungswettlauf erfüllte eine Reihe höchst wichtiger
Funktionen. Es sei daran erinnert, dass jeder, aber auch jeder Staat
einen Hauptfeind Nr.1 besitzt, nämlich die eigene Bevölkerung.
Wenn im eigenen Land die Politik ausbricht und die Leute auf der
Straße aktiv werden, können sich daraus schreckliche
Folgen ergeben. Darum ist Ruhe die erste Bürgerpflicht, nicht zu
vergessen Gehorsam und Passivität. Dies zu erreichen sind
internationale Konflikte die beste Methode: Wenn draußen ein
gigantischer Feind lauert, werde die Menschen eher bereit sein, ihre
Rechte hintanzustellen, weil es ums Überleben geht. In dieser
Hinsicht war der Rüstungswettlauf höchst funktional –
er erzeugte globale Spannungen und eine Atmosphäre der
Angst.
Außerdem dient er zur Kontrolle des Imperiums.
Wenn wir z.B. Südvietnam angreifen, müssen wir es so
aussehen lassen als verteidigten wir uns gegen die Sowjetunion.
Andernfalls werden die Begründungen für den Krieg in
Südostasien schwieriger und treffen bei der Bevölkerung auf
Widerstand, weil sie erkennt, dass diese Sache auch vor allem in
moralischer Hinsicht höchst kostspielig ist.
Ferner
fungiert der Rüstungswettlauf als Wirtschaftsmotor- und darin
liegt ein Problem. Würde die Rüstung irgendwann überflüssig
werden, müsste man den Steuerzahler mit anderen Methoden dazu
bringen, die High-Tech-Industrie zu subventionieren. Aber dass sich
ein Politiker hinstellt und erklärt: „ Also gut, nächstes
Jahr muss der Lebensstandard gesenkt werden, damit IBM Computer der
fünften Generation bauen kann!“ – das ist
schlechterdings nicht vorstellbar. Wenn jemand so redete, würden
die Leute sagen: „ Okay, wir wollen an den Entscheidungen in
Sozial- und Wirtschaftspolitik beteiligt werden.“
Diese
Gefahr ist übrigens in der einschlägigen US-Literatur der
letzten vierzig bis fünfzig Jahre ganz offen erörtert
worden Wirtschaftsführer wissen genau, was auch die Ökonomen
behaupten: dass nämlich die staatliche Finanzierung ziviler
Vorhaben effizienter und profitabler sein kann als die
Finanzierung militärischer Objekte. Und sie wissen, dass es
neben dem Pentagon-System noch andere Möglichkeiten zur
Subventionierung der High-Tech-Industrie gibt, aber sie kennen
natürlich auch die Gründe, die dagegen sprechen. Es sind
immer dieselben.
Die Ökonomen lehren richtigerweise, dass
es egal ist, wofür die Regierung eine bestimmte Summe an Dollars
ausgibt, um die Wirtschaft anzukurbeln: sie kann Kampfflugzeuge bauen
oder das Geld am Strand vergraben und die Leute danach buddeln
lassen, sie kann Straßen oder Häuser bauen oder etwas
anderes machen – die Wirkungen, die solche Stimulantien
hervorrufen, unterscheiden sich nicht groß voneinander.
Höchstwahrscheinlich sind, aus vielerlei Gründen, Ausgaben
für das Militär sogar weniger effizient als Ausgaben für
den sozialen Sektor, doch haben letztere problematische Nebeneffekte.
Zum einen kommen sie der Privatwirtschaft in die Quere. Das Geld, das
der Staat durch das Pentagon-System schleust, ist ein Geschenk für
Konzernmanagements à la: „Ich kaufe alles, was ihr
produziert und finanziere die Forschungs- und Entwicklungsprogramme,
und wenn ihr dadurch Gewinne macht, ist das schön.“
Aber
wenn die Regierung etwas produzierte, was sich direkt auf dem Markt
verkaufen ließe, könnte das die Gewinne der
Privatwirtschaft gefährden. Das ist bei der Produktion von Müll
– von teuren, nutzlosen Maschinen nicht der Fall, weil keiner
sonst B-52-Bomber herstellt.
Zum anderen, und das ist aus der
Perspektive der Privatwirtschaft noch gefährlicher, können
Ausgaben für soziale Zwecke die Demokratie stärken, indem
sie für ein stärkeres Engagement der Bevölkerung bei
Entscheidungsprozessen sorgen. Wenn z.B. die Regierung in dieser
Region für den Bau von Krankenhäusern, Schulen, Straßen
usw. sorgt, interessieren sich die Leute dafür und wollen gehört
werden, denn diese Dinge betreffen ihr soziales Leben. Wenn die
Regierung hingegen verkündet: „Wir werden einen
Stealth-Bomber bauen“ interessiert das keinen, weil niemand
damit eine konkrete Vorstellung verbindet. Und weil eines der
Hauptziele der Sozialpolitik darin besteht, die Bevölkerung
passiv zu halten, werden die Mächtigen versuchen, sie von der
Beteiligung an Planungsprozessen fernzuhalten, weil andernfalls das
Machtmonopol der Privatwirtschaft gefährdet wäre. Zudem
könnten Organisationen entstehen, die zur Mobilisierung der
Bevölkerung beitragen, was im Endeffekt sogar zur Umverteilung
von Profiten führen würde.